Wie die WELT mir einen Nazi-Vergleich zu AKK unterjubelt

Foto: WELT-Journalist und Buchautot Robin Alexander © Gudrun Senger / Verlagsgruppe Random House / CC-BY-SA 3.0 (DE)

DIE WELT hat versucht, die Ereignisse der letzten Tage um den AKK-Karnevalswitz nachzuzeichnen. Ohne mein Blog namentlich zu nennen, erklärt Robin Alexander, Vize-Chefredakteur Politik der WELT-Gruppe, dessen Rolle in dieser ganzen Sache so :

… In dieser Geschlechterfrotzelei mit gebrauchsfeministischem Einschlag fiel auch ein Witz, in dem das „dritte Geschlecht“ vorkam. Anstoß nahm niemand der 1500 Zuschauer im Saal, darunter zahlreiche Journalisten, und niemand der Fersehzuschauer. Erst Tage später schlug ein Berliner Aktivist Alarm, der Kramp-Karrenbauer schon lange kritisiert und ihr wegen ihrer Ablehnung der Ehe für Homosexuelle „völkischen Wahn“ vorwirft. Der gleiche Autor nahm auch den Karnevalswitz der CDU-Vorsitzenden zum Anlass für einen Nazi-Vergleich und fragte: „Hat es das seit 1945 schon gegeben?“

Womit fangen wir an? Vielleicht mit dem Hinweis, dass sich hier ein Autor über diese Dinge schreibt, der immer noch darauf besteht, die Ehe für alle die „Ehe für Homosexuelle“ zu nennen. Zum anderen damit, dass es Unfug ist, dass ich Kramp-Karrenbauer wegen ihrer Ehe für alle-Ablehnung für alle „völkischen Wahn“ vorgeworfen habe. Ich habe in diesem Blog immer wieder darauf hingewiesen, dass ich die Ablehnung, auch wenn ich sie für homophob halte, für eine legitime Position im demokratischen Diskurs halte. Ich habe Kramp-Karrenbauer nicht ihre Ablehnung vorgeworfen, sondern wie sie diese begründet. Geschrieben hatte ich


Ihre [Kramp-Karrenbauers] Aussage, hinsichtlich der Ehe für alle müsse man im Blick behalten,


„dass das Fundament unseres gesellschaftlichen Zusammenhalts dadurch nicht schleichend erodiert.“


hat nichts mit konservativen Reflexen oder religiösen Überzeugungen zu tun. Nein, in ihr steckt völkisches Gedankengut, hinter ihr steht ein Gesellschafts- und Menschenbild, das den Fortbestand dieser Gesellschaft an eine normative Idee knüpft und gleichzeitig eine Minderheit und deren Gleichwertigkeit als Gefahr für den Fortbestand dieser Gesellschaft definiert. Gesellschaft funktioniert so natürlich nicht und hat nie so funktioniert. Das Wahnhafte ihrer Idee richtet sich dabei nicht nur gegen die homosexuellen Volksfeinde, sondern auch gegen alle anderen, deren familiäres Wertekonstrukt ja nach Kramp-Karrenbauer nicht von Verantwortung und Zuneigung geprägt ist, sondern von deren Überwindung, denn in ihrem Denken entsteht der Zusammenhalt der Gesellschaft nicht aus menschlichen Werten, sondern offensichtlich aufgrund einer staatlichen Verabredung.

Aber nun zum Nazi-Vergleich. Robin Alexander behauptet (Hervorhebung durch mich):

Der gleiche Autor nahm auch den Karnevalswitz der CDU-Vorsitzenden zum Anlass für einen Nazi-Vergleich und fragte: „Hat es das seit 1945 schon gegeben?“

tatsächlich hatte ich geschrieben:

Und auch für den Kampf ums Kanzleramt scheint sie sich ihrer Strategie treu zu bleiben: Nirgendwo trumpft sie so auf bei wie beim Treten gegen Minderheiten. Hat es das nach 1945 schon einmal gegeben, dass ein aussichtsreicher Bewerber, eine aussichtsreiche Bewerberin um das Kanzleramt so hemmungslos diese niederen Instinkte bedient? Ich habe noch den Strauß-Wahlkampf 1980 erlebt, der wohl einer der härtesten und polarisierensten war. Ja, man kann die Zeiten nicht vergleichen und doch behaupte ich, dass selbst einem Franz Josef Strauß so etwas nicht passiert wäre, dass dieser ein Niveau hatte, um eine Grenze wusste, die man nicht übertritt: Sich genau auf Kosten einer der Minderheiten zu profilieren, die aufgrund der Missstände in dieser Gesellschaft besonders versetzlich ist. Und diese dann auch noch genau da zu bespotten, wo sie am verletzlichsten ist.

Also nicht nur, dass er meinen Satz an entscheidender Stelle einfach selbst zu Ende führt. Obwohl ich hier ganz klar die Äußerungen Kramp-Karrenbauers mit Äußerungen der Zeit nach 1945 und nicht davor abgleiche, unterstellt er mir hier einen „Nazi-Vergleich“. Oder hält er etwa Strauß für einen Nazi? Oder ist schon die Einleitung „seit 1945“ per se als eine, die einen Nazi-Vergleich einleitet? Oder gilt das nur, wenn die böse Homolobby das macht?

Denn er selbst schreibt am 8. März 2018 in einem Artikel zum Thema Werbeverbot für Abtreibungen über den damaligen Unions-Franktionschef Volker Kauder (Hervorhebung durch mich):

Dem Vernehmen nach hat er erklärt, er sei irritiert. Aber Kauder tat nicht, was jeder Vorsitzende jeder Fraktion seit 1945 in so einer Situation getan hätte: Auf den Koalitionsvertrag verweisen, einen Koalitionsausschuss einberufen und notfalls mit dem Ende der Koalition drohen.

Aber ich schätze mal, das ist etwas ganz anderes.

Doch der stellvertetende WELT-Chefredakteur Politik hat mir nicht nur einen Nazi-Vergleich untergejubelt. Er hat nicht nur mein Zitat in einen falschen Zusammenhang gerückt, sondern auch in einen falschen Zeitablauf. Und damit die Schilderung des Ablaufs um die Aufregung um das Kramp-Karrenbauer-Zitat in einem entscheidenden Punkt verfälscht.

In meinem Originalpost auf Facebook, mit der ich den AKK-Witz „öffentlich gemacht“ und kritisiert hatte, der dann zur Empörung und dann zur Berichterstattung auf queer.de, und nachfolgend dann auf allen News-Seiten führte, tauchte der „seit 1945“-Satz überhaupt nicht auf. Er entstand erst am nächsten Morgen meinem „Stoppt Kramp-Karrenbauer“-Text in einer längeren Bewertung .

Doch das ist für einen WELT-Text wahrscheinlich zu komplex. Dann doch lieber die Legende vom Homo–Sprachpolizei-Aktivisten, der mit einem irren Nazivergleich auf die größtmögliche Empörung setzt. Die man seinen Lesern dann zur größtmöglichen Empörung serviert.

Hier der Ursprungsbeitrag zum Thema: Stoppt Kramp-Karrenbauer!

Hier eine Übersicht aller Beiträge zu Kramp-Karrenbauer


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