„In die Kirche gehen ist das neue Schwulsein“: Wie die SWR3-Kirchenpropaganda aus Tätern Opfer macht.

„Mir war nicht klar, dass es in unserer Gesellschaft manchmal so viel Mut braucht, um ein Kind taufen zu lassen.“

heißt es in einem SWR-Hörfunkbeitrag der Freiburger Pfarrerin Ute Niethammer unter der Rubrik „Worte und Gedanken“, in der die beiden großen christlichen Konfessionen offensichtlich ungefilterte Kirchen-Propaganda versenden dürfen. Doch was sich hier als harmloses Glaubensbekenntnis tarnt, ist in Wahrheit ein knallharter Angriff auf Homosexuelle:

„In die Kirche gehen ist das neue Schwulsein!“ Wie bitte? Meine Bekannte wiederholt ihre Erkenntnis: „In die Kirche gehen ist das neue Schwulsein.“ Und dann erzählt sie mir, was sie in ihrem Freundeskreis so alles zu hören bekommt, nur weil sie ihr Kind taufen lassen will. Manche sind sprachlos, andere entsetzt, die meisten machen sich lustig darüber. Lachen, weil sie in einer Kirche Gott für das Leben ihres Kindes danken will. Weil sie sich in einem Gottesdienst sagen lassen will, dass alles Leben in Gottes Hand steht. Auch das ihres Sohnes und ihr eigenes. Weil dort ein Pfarrer oder eine Pfarrerin über dem Kind aussprechen wird, dass ihm Gottes Liebe gilt. Für immer. Mir war nicht klar, dass es in unserer Gesellschaft manchmal so viel Mut braucht, um ein Kind taufen zu lassen.“


Unfassbar nicht nur, was hier miteinander verglichen wird: Die existentiellen Ängste, die homosexuelles Coming-out auch heute zu einem Großteil bedeuten und unangenehme Witzchen über Religion. Homosexuelle werden auch heute noch – direkt und indirekt – für ihr homosexuell-Sein erpresst, gemobbt, um ihre Karrierechancen gebracht, in den Selbstmord getrieben. Wie oft passiert das in Deutschland mit den Leuten, die sich dazu bekennen, ein Kind taufen zu lassen?

Unfassbar auch, dass diese Ängste quasi bestritten werden: Denn wenn Kirche in Sachen Mut das „neue Schwulsein“ ist, dann hat das offene Schwulsein ja die Phase überschritten, in der es Mut bedarf. Unfassbar aber vor allem, dass sich hier die Vertreterin einer Organisation anmaßt, das Leid einer Opfergruppe zu bestreiten, das sie selbst mit verursacht hat: Es waren vor allem die christlichen Kirchen, die dafür sorgten, dass die Homosexuellenverfolgung im Nachkriegsdeutschland mit erbitterter Schärfe fortgesetzt wurde.

Aber es ist noch schlimmer. Denn Homosexuelle, wenn man die Logik dieses Beitrages zu Ende denkt, sind nicht nur keine Opfer, sie sind auch Täter. Denn behaupten ihre Diskriminierung nur, obwohl sie längst überwunden ist. Warum tun sie das wohl? Natürlich nur, um über die Kirche zu lachen. Echt? Na ja. Zumindest so ähnlich: Die Schlusspointe lautet in bester Täter-Opfer-Umkehr:

Also, wenn in die Kirche gehen, das neue Schwulsein ist, dann nur Mut, Leute. Dass mich Leute deswegen auslachen, halte ich aus. Ich weiß ja, dass Gottes Liebe mir gilt. Dem Kind meiner Bekannten auch. Und ihrer ganzen Familie. Und den Schwulen. Und übrigens sogar denen, die über uns lachen.

Lässt man die Vergebungsrhetorik einmal weg, berichtet dieser Beitrag darüber, dass sich Kirchgänger vor den Homos fürchten müssen.

Was für ein fürchterlicher Beitrag. War wahrscheinlich nicht so gemeint. Aber das war die kirchliche Homosexuellendiffamierung ja nie.

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