Die Welt

Es gibt eine Bedeutung für das Wort „schwul“, die sich am besten mit „scheiße“ wiedergeben läßt. „Dein Pulli sieht total schwul aus“ bedeutet nicht, zumindest nicht unbedingt, daß er rosa ist oder mit Perwoll gewaschen, sondern einfach nur, daß man ihn lieber nicht anziehen solle. Klarer wird das vielleicht bei „was ist denn das für ein schwules Wetter hier?“ oder so ähnlich.

Daß schwul gleich scheisse ist, wird vor allem auf Schulhöfen oder in bildungsfernen Talkshows des Nachmittagsfernsehens ausgesprochen. Ulf Poschardt möchte das ändern. Poschardt möchte, daß auch im gehobenen bildungsbürgerlichen Lager endlich wieder schwul nach scheisse klingt. Natürlich sagt er das nicht. Genauso wenig, wie der Papst sagt, daß man gegen Aids keine Kondome verwenden soll und doch weiss, daß er genauso verstanden wird.

Ulf Poschardt hat gestern auf welt.de einen großen Aufmacher über „Merkels Konsenspolitik“ geschrieben, in dem er die Bundeskanzlerin, aber auch die SPD kritisiert, die nichts auf die Reihe kriegt. Achtung: Im ganzen Artikel geht es nirgendwo um Schwule oder schwule Politiker, sondern nur darum, was das für Looser bei der SPD sind. Der entscheidende Satz lautet dann so:

Allerdings hilft der Kanzlerin auch eine SPD, in der die entscheidenden Männer alt, müde, zart oder schwul sind.

5 Gedanken zu „Die Welt

  1. Na ja, wenn man großzügig ist, kann man ja Wowi als entscheidenden Mann in der SPD bezeichnen – und das ist auch gut so. Was das jedoch mit der Eignung zu politischen Ämtern zu tun haben soll, ist mir schleierhaft.

    Den oben genannten Artikel habe ich bereits nach dem ersten Satz weggeklickt. Ulf P. scheint ja mächtig stolz darauf zu sein, dass er erkannt hat, dass das Wort „Wahlkampf“ aus 2 (ja, doch! In Worten: zwei) Silben besteht.

    Solche Kaffeesatzleserei kann man sich antun, wenn man auf den Stil der Springer-Presse anspringt, muss es aber nicht.

    Gruß aus Berlin,
    Peter

  2. Schon interessant wie unterschiedlich der Umgang mit ähnlicher Problematik der Diskriminierung sein kann. Man könnte ja erstmal entsprechend der Unschuldsvermutung annehmen, dass Herr Poschardt feststellen will, dass schwule Politiker dem breiten Wählervolk schwerer zu vermitteln sind. Das könnte ja ein Wahlkampfnachteil sein.

    Aber jeder, der so etwas wirklich ungerecht findet, würde nicht riskieren wollen, diesen Umstand zu fördern, indem er allein durch die Erwähnung des vermeintlich Faktischen eine gefühlte Legitimation erzeugt.

    So würde vermutlich kein Antirassist (und damit eigentlich auch kein arrivierter Journalist) schreiben „Die Partei XY hilft der Kanzlerin, weil sie nur (beliebige negative Adjektive) und Ausländer hat.“ Das zeugt nämlich meiner Meinung nach von einem Verständnis für Xenophobie, die sehr unangebracht ist; ein tendenziell xenophober Leser fühlt sich vielleicht schnell als Teil einer gefühlten Mehrheit, wenn er liest, dass es ein Problem ist, Ausländer in der Parteiführung zu haben. Ob Herr Poschardt das also SO schreiben würde? Keine Ahnung, jede Aussage dazu wäre wohl leider bloße Unterstellung.

    Wie eingangs erwähnt interessant, dass Xenophobie ein angemessenes Tabu erlangt hat, Homophobie aber nicht, zumindest in meiner Wahrnehmung.

  3. Was soll man dazu noch sagen… das eigentlich dramatische daran ist doch, dass diese merkwürdige Verwendung des Wortes „schwul“ in diesem Kontext der breiten Bevölkerungsschicht gar nicht auffällt. Ich würde mal ganz provokativ behaupten, dass 80% der heterosexuell lebenden Bevölkerung nicht merkt, was an diesem Satz indiskutabel ist. Es wird entweder darüber weggelesen oder darüber gegrinst. DAS ist der wirkliche Skandal… nicht, dass Herr Poschardt dumm ist… dafür kann er schließlich nichts 😉

  4. Das Schimpfwort schwul ist eine Facette der normalen Sprachentwicklung, die nicht immer politisch korrekt gegenüber armen, armen Einzelgruppen verläuft. Dieses Schimpfwort lässt sich ganz gut mit einer Mischung aus ‚minderwertig‘ und ‚unbrauchbar‘ übersetzen und es ist aus meiner Sicht völlig in Ordnung, es zu benutzen. Über andere Beispiele wie „herrenlos“ oder „getürkt“ regt sich auch keiner auf. Dieser androgyne Poschardt möchte sich doch bloss krampfhaft maskulin definieren.

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