„Machen Sie doch anderes Fernsehen! Und nicht denselben reaktionären Quark, der dieses Land schon jetzt zur letzten großen westlichen Demokratie macht, die LGBT-Menschen die Gleichheit vor dem Gesetz verwehrt.“

Ein Grund, warum wir in Deutschland mit der Ehe für alle nicht so richtig weiterkommen, liegt auch darin begründet, dass die meisten Medien kein Problem damit haben, das Thema immer wieder auf die immer gleiche Art tot zu inszenieren: Als erkenntnisfreier Showdown zwischen denen, denen man ein Bürgerrecht verweigert und denen, denen es Spass macht, den anderen ein Bürgerrecht zu verweigern.

Wie schön, dass es Leute gibt, die mal etwas Neues probieren wollen. Z.B. die Produktionsfirma Lieblings-TV, die gerade mit der Medienakademie Hamburg dabei ist, das Webtalk-Format „Klartext“ zu entwickeln. Sie beschreiben es als

„Unsere Antwort auf die alten und meist unverständlichen Talk Shows in Deutschland. Mit einem frischen Moderatoren-Duo bringt die Show einen gewissen Charme und Wissbegierigkeit mit.“

Zum Thema „Ehe für Alle“ hatte die Redaktion den schwulen Berliner Journalisten und Aktivisten Dirk Ludigs eingeladen. Und dann wieder ausgeladen. Der Grund: Sie hätten „noch eine Zusage einer Contra Meinung bekommen, was unsere Diskussion natürlich noch mehr voran treiben wird.“

Klingt irgendwie logisch. Macht irgendwie Sinn.

Aber auch nur, weil wir die Erwartung aufgegeben haben, dass es im Sinne eines Medienformates sein müsste, sich um eine angemessene Aufbereitung des Themas zu bemühen.

Dirk Ludigs hat das nicht.

Hier seine Antwort an die Redaktion, nachdem er aus der Sendung ausgeladen wurde:

 

Hallo Frau ….,

kein Problem! Und natürlich verstehe ich, dass Talkshows zu Themen langweilig sind, bei denen alle einer Meinung sind.

Trotzdem meine Frage: Würden Sie auch Gegenpositionen einladen zu Themen wie: Sollten Schwarze im Bus hinten sitzen? Juden – sind wirklich alle nur dem Geld hinterher?

Würden sie zu Rassismus-Themen Rassisten einladen? Zu Israel Antisemiten?

Klingt vielleicht etwas überspitzt? Nun, worum geht es hier?

LGBT-Rechte sind Menschenrechte. Das ist unter anderem die Position der US-Regierung und der Vereinten Nationen. Menschenrechte aber sind nicht verhandelbar, man kann sie auch niemandem gewähren, sie lassen sich nur vorenthalten – das genau tut die Bundesregierung seit Jahren. Leider ist dieses Land und viele seiner Journalistinnen noch nicht an dem Punkt angelangt, diese einfache Tatsache zu begreifen. Ich empfehle ihnen für die Auseinandersetzung mit dem Thema den Waldschlösschen-Appell der schwullesbischen Journalistinnen. Eine weitere Sendung darüber, ob LGBT-Menschen vollwertige Menschen sind, braucht dieses Land nicht, sie ist auch nicht vorwärts oder frisch oder anders. Jung schon gar nicht.

Man kann über vieles bei diesem Thema streiten … was ist der beste Weg dahin, muss Ehe sich überhaupt grundlegend verändern, warum wollen Schwule und Lesben überhaupt heiraten? Machen Sie doch anderes Fernsehen! Und nicht denselben reaktionären Quark, der dieses Land schon jetzt zur letzten großen westlichen Demokratie macht, die LGBT-Menschen die Gleichheit vor dem Gesetz verwehrt. Denn das sind wir. Grönland ist da weiter.

Mit freundlichen Grüßen

Dirk Ludigs  ♦

Offenlegung: Der von Ludigs erwähnte „Waldschlösschen Appell“ gegen die Verharmlosung homosexualitätsfeindlicher Diffamierungen ist eine Initiative des Bundes Lesbischer und Schwuler JournalistInnen (BLSJ) und des Nollendorfblogs.

Weitere Informationen zum Thema:

„Der SPIEGEL hat ein Homo-Tourette-Syndrom“ 

Maischberger erklärt Homosexualität zur „Gesinnung“ / Unterstützerwelle für den „Waldschlösschen Appell“

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