Verzweifelt gesucht: Sahra Wagenknecht

Im Grundgesetz steht nicht viel über die Aufgabe von Parteien. Vor allem steht dort, dass sie „bei der politischen Willensbildung des Volkes“ mitwirken. In einem Bundestagswahlkampf verdichtet sich politische Willensbildung auf geradezu dramatische Weise:

Die Parteien kämpfen hier nicht nur um ihre Macht, sondern auch im die Wichtung und Deutung von Themen. Ob und wie politische Inhalte in konkretes Regierungshandeln umgesetzt werden, ist nicht nur Ergebnis von Mehrheiten, sondern auch, welche Bedeutung diese Inhalte in einem Wahlkampf erzielen. Es gibt nicht nur Gewinner- und Verliererparteien. Es gibt auch Gewinner- und Verliererthemen. Eines der großen Verliererthemen im letzten Bundestagswahlkampf war die „Ehe für alle“. Nicht weil eine Mehrheit der Wähler diese nicht wollte. Sondern weil sie für die, die sie nicht wollten, zu einem Symbol wurde. Vor allem Dank der politischen Willensbildungsarbeit der Union.

Ohne diese Symbolfunktion, da bin ich mir sicher, wäre eine „Ehe für alle“ auch in der aktuellen Regierungskonstellation möglich gewesen wäre. Wem ein bestimmtes Anliegen wichtig ist, darf also nicht nur gegen die Parteien streiten, die sich gegen dieses Thema stelleb. Er muss auch für das Thema selbst streiten. Zuallererst in der eigenen Klientel.

Nicht nur, ob, sondern auch wie die „Ehe für alle“ (also als „bittere Pille“ oder historischer Schritt) in der nächsten Legislaturperiode möglich ist, ist deshalb auch davon abhängig, wie auch die Parteien für sie gekämpft haben werden, die nicht in einer Regierung darüber zu entscheiden haben.

Die Verantwortung der Partei „Die Linke“ für die rechtliche Gleichstellung (für die sie sich seit Jahren einsetzt) besteht also nicht nur darin, diese als Teil einer möglichen Regierungsbeteiligung umzusetzen. Gerade weil auch sie eine Wählerschicht anspricht, die sich mit Abstiegsängsten konfrontiert sieht, kommt ihr eine entscheidende Funktion dabei zu, mögliche Ressentiments nicht zu verstärken, sondern diesen entgegenzutreten.

Viele bei den Linken tun das mit großem Engagement.

Bei der Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht, dem „Star“ der Linken, bin ich mir da nicht so sicher.

Natürlich trägt sie die Parteilinie für die Gleichstellung mit, natürlich tritt auch sie für die „Ehe für alle“ ein. Aber vor allem dann, wenn sie danach gefragt wird.

Aber macht sie es auch zu „ihrem“ Thema? Nutzt / wie nutzt sie ihre enorme Popularität, die sie in einer bestimmten Kientel hat, um für das Linken-Ziel „Homo-Ehe“ zu erreichen? Versucht sie, gegen homophobe Stimmungen anzugehen, oder fasst sie diese nicht weiter an, weil ihr andere Themen wichtiger sind? Ist für sie die rechtliche Gleichtsellung – so wie etwa bei vielen Linken in Europa und Amerika – ein entscheidender gesellschaftlichtspolitischer Emanzipationsschritt oder doch eher ein Luxusthema, eines, das zwar endlich mal erledigt werden sollte, aber eigentlich doch kein so großes Problem darstellt?

All dies würde ich gerne wissen. Gerade weil sie in der „Flüchlingsfrage“ nicht so wirkte, als ginge es ihr um größtmöglichen Abstand zum Vokabular und Argumentationsstil der Rechtspopulisten, gerade weil sie durch ihre Auftritte in Medien  wie RT Deutschland nicht den Eindruck erweckt,  als würde sie diese als Teil der russischen – auch eindeutig homophoben – Staatspropaganda betrachten, gerade weil auch sie  um putinfreundliche Wählerschichten konkurriert.

Doch warum ist es so schwer, dazu etwas zu finden?

Eine Grundsatzrede? Ein wirklich engagiertes Streitgespräch? Eindeutiges zu Russland, zu Tschetschenien?

Ich habe (erstmalig am 13. April) insgesamt dreimal schriftlich und zweimal telefonisch die Pressestelle der Linksfraktion im Bundestag gebeten, mir bei meinen Fragen zu helfen. Ich habe keine Antwort erhalten. Auch nicht auf die Frage, ob ich auf eine Antwort hoffen darf.

Ich möchte Sahra Wagenknecht nicht unrecht tun. Es ist nicht ihre Fraktion, die im Bundestag das Eheverbot aufrecht erhält. Aber die „Ehe für alle“ ist bereits im letzten Bundestagswahlkampf unter die Räder gefallen und wir sollten nicht wollen, dass das wieder passiert. Ich bin der Meinung, dass es die Pflicht aller ist, die dafür sind, auch ein Risiko dafür einzugehen. Was sollen wir von einem SPD-Kanzerlandidaten erwarten, was wir von der Spitzenkandidatin der Linken nicht erwarten?

Ich möchte Sahra Wagenknecht nicht unrecht tun. Aber ich wüsste schon gerne, woran ich bin.

Vielleicht kann ja jemand  das beantworten, was die Pressestelle von Wagenknechts Linksfraktion mir nicht sagen will.

Hier meine Fragen:

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Fraktion DIE LINKE tritt für die Öffnung der Ehe ein und engagiert sich gegen Homophobie.

Ich würde gerne die Rolle beleuchten, die die Fraktionsvorsitzende Sarah Wagenknecht dabei spielt.

Können Sie mir wichtige Grundsatzreden zur Verfügung stellen, in denen Frau Wagenknecht als Fraktionsvorsitzende die Notwendigkeit der Eheöffnung begründet beziehungsweise sich dafür einsetzt?

Können Sie mir öffentliche Äußerungen zur Verfügung stellen, in denen sie gegenüber der russischen Regierung die Beendigung der dortigen Verfolgung Homosexueller fordert?

Ist Ihnen bekannt, ob Frau Wagenknecht Treffen mit russischen Regierungsvertretern dazu genutzt hat, ein Ende der russischen Diskriminierungspolitik Homosexueller einzufordern?

Mit freundlichen Grüßen,

Johannes Kram

Nollendorfblog.de ♦

Vorschaufoto: fotolia.com

Weitere Beiträge hier im Blog über die Bedeutung von Homophobie im letzten Bundestagswahlkampf:

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