Die verlogene David-Berger-PR des WDR und seine ärgerliche Homophobietradition

Die Ankündigung der Sendung Tischgespräch mit David Berger hat Kritik in den Sozialen Medien ausgelöst. WDR 5 wird vorgeworfen, mit David Berger einem Menschen Sendezeit zu geben, der einen rechts, manche meinen sogar rechtsradikal orientierten Blog betreibe.
Die Redaktion hat über die Frage, ob es eine Sendung mit David Berger geben soll, im Vorfeld ausführlich diskutiert. Den Ausschlag gab letztlich die Überzeugung, dass WDR 5 auch mit Menschen in den journalistisch-kritischen Diskurs gehen möchte, die Positionen vertreten, die viele nicht teilen. Wenn unsere Gesellschaft die offene Diskussion will, dann sollte sie auch die verschiedenen Positionen kennen – selbst, wenn das für manche nur schwer zu ertragen sein mag. Es gehört zur Programmphilosophie von WDR 5, in seinen Sendungen unterschiedliche Perspektiven auf die Themen in einen journalistischen Rahmen zu setzen und für sich sprechen zu lassen – immer unter der Voraussetzung, dass die dort gemachten Äußerungen nicht gegen allgemeine Gesetze verstoßen.

(Erklärung auf der WDR-Homepage zur Entscheidung an David Berger als Gast der Radiosendung „Tischgespräch“ festzuhalten. Geplante Ausstrahlung: 23. Januar 2019, 20.04 – 21.00 Uhr – WDR 5)

Lieber WDR,

meinetwegen interviewt David Berger, interviewt wen ihr wollt. Aber bitte beruft Euch damit nicht auf irgendwelche hehren journalistischen Grundsätze, „Überzeugungen“ oder eine „Programmphilosophie“ . Würde all das in der ganzen Sache auch nur irgendeine eine Rolle spielen, dann hättet Ihr in den Vorabinformationen über den Gast Eueres „Tischgespräches“ irgendetwas über das angegeben, was dieser heute so treibt, wofür man ihn heute hauptsächlich kennt, wofür man ihn kritisiert. Und lasst es meinetwegen strittig sein, ob er rechts oder rechtsradikal oder sonstwas ist oder nicht. Dass er aber einer der wichtigsten und reichweitenstärksten Multiplikatoren der rechten Szene ist, ist das wirklich „umstritten“?

Ist das wirklich offen in dem von Euch beschworeren „journalistisch-kritischen Diskurs“? Gibt es wirklich eine Journalistin, einen Journalisten bei Euch im Haus, die oder der sich mehr als fünf Minuten mit der Sache beschäftigt hat, und das nicht so sieht? Echt?

Ist es, abgesehen von der Frage, ob David Berger den vom Presserat als diskriminierend gerügten „Johannes Gabriel“-Schwule-sind-Kinderficker-Artikel“ selber geschrieben hat, diskursfähig, dass dieser auf seinem Blog erstveröffentlicht wurde? Ist es eine Frage unterschiedlicher Positionen, dass Berger im Stiftungsrat der Desiderius-Erasmus-Stiftung der AfD sitzt? Mit Vertretern der Identitären Bewegung auftritt? Was bitte ist an all dem umstritten? Und selbst, wenn Ihr denkt, Euch hier auf die Seite von Berger schlagen zu müsssen und in seiner Ankündigung dessen Täter-Opfer-Umkehr-Rethorik übernimmt, in dem ihr so tut, als würde man ihn für seinen „Mut“ kritisieren und nicht für seinem Hass (merkt Ihr nicht, welchem populistischem Narrativ Ihr hier aufgesessen seid?); selbst wenn Ihr das rassistische, homophobe und islamfeindliche Geschreibsel wirklich nicht für rassistisch, homophob und islamfeindlich haltet, warum teilt Ihr dann Euren HörerInnen nicht wenigstens mit, was das eigentlich ist, was ihm da vorgeworfen wird?

Stattdessen schreibt Ihr in Eurem Ankündigungstext:

Selbst schwul entschloss sich Berger, nicht länger bei den „Scheinheiligen“ mitzumachen. Viele bewunderten ihn für seine Courage, David Berger wurde zum gefragten Talkshowgast. Doch damit ist es vorbei. Inzwischen ist er für manche Schwule zu einer regelrechten Hassfigur mutiert und mit den politischen Äußerungen in seinem Blog macht er sich bei vielen unbeliebt. Im Gespräch mit Ulrich Horstmann erklärt David Berger, was ihn dabei antreibt und warum er kein Problem mit dem Image des Außenseiters hat.

Sorry, aber das ist – nicht nur journalistisch gesehen – wirklich das miesete, das ich seit langem gelesen habe.

Manche Schwule“ haben mit den „politischen Äußerungen“ ein Problem? Das ist auf so vielen Ebenen so falsch, so unverschämt. Und auch so homohob: Fast keiner der Kritikpunkte an David Berger hat mit Konflikten innerhalb der Community zu tun, sondern – wenn überhaupt – mit deren Solidarität mit den von ihm angegriffenen Minderheiten.

(Hier ein ganz und gar unschwuler Faktencheck von Correctiv, hier die aktuelle Entwicklung bei queer.de, hier eine Zusammenfassung von Stefan Lauer: Wie ein schwuler Theologe zum Sprachrohr von AfD, IB und Co wurde), hier auf Frankfurter Rundschau ein Überblick über die gesamte Szene der “ ‚rechten Propagandaschmiede‘, u.a. Selbsternannte „freie Medien‘, wie die islamfeindliche ‚Hassseite‘ (Historiker und Philosoph Heiner Bielefeldt) PI-News, das rechte „Jürgen Fritz Blog“, die neurechte Plattform ‚Journalistenwatch‘, ‚Philosophia Perennis‘ des völlig nach rechtsaußen abgerutschten Theologen David Berger“).

Dass Ihr das nicht wisst, nicht einschätzen könnt, oder noch schlimmer: Dass es Euch ganz offensichtlich egal ist, macht Euch auf allen Ebenen unqualifiziert, jemanden wie David Berger einzuladen, egal wie in Ordnung dann der tatsächliche Talk ausfallen wird. Denn bereits jetzt habt ihr mit der ganzen David-Berger-PR ein Bild in der Öffentlichkeit gezeichnet, das mehr Schaden angerichtet, mehr verklärt und vernebelt, als eine journalistisch angemessene Sendung wettmachen könnte.

Noch mal: Es geht nicht darum, ob man Leuten ein Forum gibt, die von vielen Leuten von rechtspopulistisch bis rechtsradikal eingestuft werden. Es geht darum wie.

Schlimmer als Ihr kann man es nicht machen.


UPDATE – 23. Februar 2019 -:

Es geht offenbar doch noch schlimmer:

David Berger auf WDR 5: Der journalsitische Offenbarungseid des Senderchefs Florian Quecke

ZUSAMMENFASSUNG:

In meiner BILDBlog-Kolumne („David Berger und der WDR: Ein Sender auf Koks“) habe ich die Ereignisse zusammengefasst und ergänzt, sowie der Aussage des Senderchefs Quecke für widersprochen, es habe sich um eine falsche Formatentscheidung gehandelt:

„Aus dem Umfeld des Senders hört man, dass die Einladung Bergers in die Sendung ‚Tischgespräch‘ allerdings kein Unfall gewesen sei; das Gespräch habe genau so stattfinden sollen. Die journalistische Katastrophe sei nicht aus Unwissenheit passiert, sondern weil der Gesprächsführer exakt gewusst habe, wen er da vor sich haben wird: „Tischgespräch“-Moderator Ulrich Horstmann soll diesen Gast für genau dieses Format gewollt haben. Man merkt dem Gespräch an, dass der Moderator nicht undankbar dafür ist, an gewissen Stellen nicht nachfragen zu müssen. Insofern war es genau das richtige Format.“




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Nachtrag:

Es gibt mittlerweile beim WDR schon fast eine Tradition darin, homosexuellenfeindliche Beiträge zu produzieren und sich den Widerspruch dann anschließend ans Revers zu kleben als Beweis der eigenen journalistischen Kompetenz. Die Kritik bestärkt so dummerweise den Sender, immer wieder Dummes zu produzieren und von sich zu geben. Man ist dort wohl tatsächlich er Meinung durch homophobe Inhalte „mal wieder einen Punkt getroffen zu haben“ , weil man es angeblich geschaftt hat, das Meinungssprektrum einer Sache abzubilden. Man ist dort auch offensichtlich auch der Meinung, durch die hohe Anzahl homosexueller MitarbeiterInnen könne der WDR ja gar keine homophoben Tendenzen haben. Es ist wirklich zum Verzweifeln. Aber trotzdem:

Liebe mitlesende WDR-Verantwortliche, vielleicht einfach mal mitschreiben:

Erstens: Homophobie ist keine Meinung. Zweitens: Auch Homosexuelle können homophob sein, und ja, auch David Berger kann das. Drittens: Nur weil viele Eurer homosexuellen RedakteurInnen auch dieses mal wieder senderintern keine Kritik vorbringen werden, heißt es nicht, dass sie Euch nicht trotzdem dafür kritisieren. Gebt Euch das nächste mal etwas Mühe, die Kritik an Euch zu verstehen. Nur ein bisschen. Das wäre schon was.

Hier zwei Fälle, bei denen der WDR ähnlich argumentiert hat:

Skandal um 1Live-„Experiment“: WDR-Erklärung verhöhnt Homosexuelle


Maischberger erklärt Homosexualität zur „Gesinnung“


Die Geschichte des Menschenzoos


Bitte mitmachen:

Der Waldschlösschen-Appell gegen unwidersprochene Homophobie in den Medien erkärt, wo Meinung zu Diskriminierung wird und fordert Medien auf, Homophobie nicht unwidersprochen zu lassen.

Queer.de erklärt, worum es geht.

Hier kann man unterschreiben.

Offenlegung:

Ich kenne David persönlich, seitdem wir in 2011 der gleichen TV-Dokumentation zum Deutschlandbesuch von Benedikt XVI aufgetreten sind und dort ähnliche papstkritische Positionen vertreten hatten. Damals hatte ich ihn persönlich, wie auch als Aktivisten, schätzen gelernt. Zu seiner Anfangszeit als „Männer“-Chefredakteur hatte ich dort einige Texte, u.a. eine Titelgeschichte für die „Ehe für alle“ veröffentlicht. Seit über vier Jahren – ich würde sagen: seit seiner Radikalisierung – haben wir keinen Kontakt mehr.