Zum Tod von Benedikt XVI: Sein Anti-Homo-Wahn war faschistoid

Dass es über Papst Benedikt aus homosexueller und queerer Sicht nichts Positives, sondern ausnahmslos Verabscheuungswürdiges zu sagen gibt, ist nichts Neues. Dass es trotzdem auch am Tage seines Todes gesagt werden muss, hat zwei Gründe:

Erstens war Benedikts Furor gegen Homosexualität nicht irgendeine Spinnerei, nicht irgendein Nebenaspekt seines Tuns, sondern ganz offensichtlich einer der wichtigsten, wenn nicht so gar die wichtigste Triebfeder seiner Agenda. Man kann also Benedikts Pontifikat nicht würdigen, ohne dabei zu würdigen, was er queeren Menschen angetan hat und mit welcher Inbrunst und Brutalität er es tat.

Doch ohne den zweiten Grund könnte man darüber schweigen. Der Mann ist tot, der tut niemandem mehr was. Doch das stimmt eben nicht so ganz. Gerade in Deutschland gab es bereits zu Lebzeiten eine Benedikt-Verklärung, was seinen erbarmungslosen Kampf gegen Homosexualität und queere Menschen betrifft. Und wenn man nun die ersten die Nachrufe liest, könnte man meinen, dass seine problematische Rolle im Missbrauchsskandal das Problematischste an Benedikt war. Doch das war es nicht. Die Verniedlichung von Benedikts Homophobie wird weder seinen Opfern gerecht noch Benedikt selbst. Benedikt hat es verdient, als der gesehen zu werden, der er war und sein wollte. Und die Opfer seiner Anti-Homopolitik haben es verdient, dass diese Politik endlich als das benannt wird, als das, was sie war. Zuschreibungen wie „streitbar“ und „konservativ“ verharmlosen um Längen. Wer wirklich bereit ist, auf das zu schauen, was er gesagt und getan hat, muss es endlich aussprechen:

Benedikt war faschistoid. Und seine Endgegener waren die Homos.

In meinem Buch „Ich hab ja nichts gegen Schwule, aber“ von 2017 habe ich seine Position nachgezeichnet.

„Kaum ein anderes Thema prägte sein Pontifikat so wie dieses; es war für ihn eine Art Entscheidungskampf. In seiner Rede am Tag vor Heiligabend 2008 an Kurienmitglieder im Vatikan beließ er es nicht dabei, vor den zersetzenden Folgen der Homosexuellenehe zu warnen. Es war eine Rede über das Überleben der Menschheit; es ging um die verheerenden Folgen der Umweltzerstörung. Er sprach von der Vernichtung der Lebensgrundlagen, von der Abholzung der Regenwälder. Doch dieses Ökologie-Inferno diente im Endeffekt nur als Vorlage für die Beschreibung der eigentlichen Katastrophe:

„Die Regenwälder brauchen unseren Schutz, aber auch der Mensch als Schöpfung verdient nicht weniger.“ Die Kirche müsse den Menschen „vor der Zerstörung seiner selbst bewahren“, und diese Zerstörung, daran ließ Benedikt keinen Zweifel, gehe von der Zerstörung der klassischen Ehe aus. Um diese zu retten, forderte er eine „Ökologie des Menschen“: „Es ist nicht überholte Metaphysik, wenn die Kirche von der Natur des Menschen als Mann und Frau redet und das Achten dieser Schöpfungsordnung einfordert.“ Benedikt weiter: „Nicht der Mensch entscheidet, nur Gott entscheidet, wer Mann und wer Frau ist.“ Die Menschheit müsse auf „die Stimme der Schöpfung“ hören, um die vorgegebenen Rollen von Mann und Frau zu verstehen. Alles andere komme „einer Selbstzerstörung des Menschen und der Zerstörung von Gottes Werk selbst“ gleich. Dass Homosexuelle Grund für alles mögliche Übel sind, war bekannt. Dass sie aber so etwas wie der Grund allen Übels, dass mit ihnen das Schicksal der Menschheit verbunden ist, das war in dieser Zuspitzung neu. Neu war auch, dass durch die Einführung des Ökologie-Begriffes die Abwehr der Homosexualität nun keine rein moralischreligiöse Kategorie mehr war, sondern vor allem eine universal-politische.“

Benedikt war also kein harmloser religiöser Spinner, der der einfach nur dummes Zeug über Homosexuelle in die Welt setzte, was man nicht weiter ernst nehmen musste. Er machte mit seinem Die-Homos-sind-das-Übel-der-Welt-Wahn bitterböse Politik.

In diesem Blog habe ich im Rahmen meiner Protest-Aktion „Homophobie Kills“ zum Papst Besuch im September 2011 die damalige Situation unter Benedikt beschrieben:

In vielen Ländern der Erde wird Homosexualität streng bestraft, oft mit dem Tod. Die katholische Kirche unterstützt diese Länder darin, indem sie deren Recht verteidigt, Homosexualität zu bekämpfen: Mit dem Argument, Staaten müssten das Recht haben, „gewisse sexuelle Handlungen“ zu regulieren und gewisse „sexuelle Verhaltensweisen“ per Gesetz zu verbieten. Der Vatikan kämpft gegen die Erklärung „Gewaltakte und Menschenrechtsverletzungen wegen der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität verhindern“ im UN-Menschenrechtsrat. Er stellt sich somit klar gegen alle EU-Länder und auf die Seite aller Homosexuellen-tötender Diktaturen.

Wie wichtig ihm die Sache war, zeigt, dass er sie in den Fokus seines wohl wichtigsten Auftritt in seinem Heimatland Deutschland rückte. In seiner Rede 2011vor dem Bundestag sprach er das Thema Homosexualität zwar nicht direkt an. Doch er wiederholte genau die These aus seiner Heiligabendrede von drei Jahren zuvor, mit der er die Selbstzerstörung der Welt eben nicht hauptsächlich durch die Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen anprangerte, sondern durch die sich auflösenden Rollen von Mann und Frau.

„Die Bedeutung der Ökologie ist inzwischen unbestritten. Wir müssen auf die Sprache der Natur hören und entsprechend antworten. Ich möchte aber nachdrücklich einen Punkt noch ansprechen, der nach wie vor weitgehend ausgeklammert wird: Es gibt auch eine Ökologie des Menschen.“

Im Bundestag gab es davon von fast allen Abgeordneten aus fast allen Fraktion stehenden Applaus und in den meisten Medien begeisterte Kommentare, weil er wohl irgendwas mit „öko“ gesagt hatte.

Dass der Papst, der sich damals gerade in im UN-Menschenrechtsrat für die Akzeptanz staatlicher Homoverfolgung einsetzte, auch seine Bundestagsrede nutze, um diese mit seinem Gerede von der „Ökologie des Menschen“ zu rechtfertigen, hätte jeder wissen können, der es wollte. Wenn er den Papst einfach nur ernst genommen hätte, ihm zugehört hätte, was er schon seit  Jahre vorher unmissverständlich formulierte.

Doch Kritik an Benedikt wurde und wird immer noch viel zu oft als kleinlich abgetan. Homophobie war und ist im Wir-sind-Papst-Land immer noch so eine Art Kavaliersdelikt.

Muss man nicht so ernst nehmen. Doch. Muss man.

Staatliche Homophobie tötet. Nicht nur durch Hinrichtungen, sondern auch durch die direkten und indirekten Folgen von Verfolgungspolitik. Dass eine solche Politik möglich ist, dafür hat sich Benedikt mit seiner ganzen Kraft eingesetzt.

Der Tod von Benedikt ist ein guter Zeitpunkt, seiner Opfer zu gedenken.

Mehr zum Thema in diesem Blog:

Die FAZ würdigt Papst Benedikt mit einem – wie ich finde – skandalösen Nachruf von Daniel Deckers, der Homosexualität in die Nähe von Missbrauch rückt und von „aggressiver Homosexualität“ spricht. Dieselbe Formulierung nutze Deckers bereits nach dem Rücktritt von Papst Benedikt. Hier meine Entgegnung von damals:

„Aggressive Homosexualität“: Was die FAZ unter Missbrauch versteht

Weitere Beiträge:

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