„Black Lives Matter“: CSD Berlin möchte rassistischer und sexistischer Provokateurin Plattform bieten

Der diesjährige Berliner CSD wird immer mehr zur Farce, nur konnte man bisher hoffen, dass es eine Farce wird, die möglichst wenig Schaden für die Anliegen der Community anrichten wird. Doch vieles spricht dafür, dass sich auch diese Hoffnung erledigt hat. Denn um ein möglichst großes Publikum für den mit der Community bisher miserabel kommunizierten „digitalen CSD“ zu erreichen, hat sich der CSD-Vorstand für eine besonders infame Strategie entschieden: Einerseits gibt er vor, sich für die Ziele von „Black Lives Matter“ und der Community engagieren zu wollen, andererseits plant er laut (offiziell unbestätigten) internen Informationen (zumindest bis vor wenigen Tagen) ausgerechnet der Szene-Figur eine Plattform zu bieten, deren Markenkern daraus besteht, sich mit rassistischen und sexistischen Provokationen in Szene zu setzen.

Eigentlich ist es nicht mehr nötig, über die Dragqueen Nina Queer zu schreiben, da fast alle queeren Medien ihr sexistisches und rassistisches Aufmerksamkeitsgewusel ignorieren, um diesem nicht noch mehr Nahrung zu geben. Doch  die offensichtliche Rassismus-Egalheit des Berliner CSD macht es leider nun notwendig, doch noch einmal zu widersprechen und damit das Dilemma in Kauf zu nehmen, der Dragqueen ungewollt bei ihren durchschaubaren Selbstinszenierungen zu helfen.

Und die gehen so: Einerseits lässt sie sich für ihre rassistischen und sexistischen Aussagen beklatschen, behauptet aber gleichzeitig, diese seien ja gar nicht so gemeint, die Kritik sei also dumm, ungerecht und falsch. Sie erklärt sich also nach gängiger Populist*innen-Kunst vom Täter zum Opfer und vertauscht dabei immer wieder die Ebenen, sodass sie immer wieder alles behaupten kann, ohne dafür je die Verantwortung übernehmen zu müssen: Es sei ja nur Satire. Sie sei ja nur eine Kunstfigur, von der man ja wisse, dass alles, was sie sage, nicht ernstzunehmen sei. Was natürlich Blödsinn ist, weil sie in genau dieser Kunstfigur politische Aussagen tätigt, mit denen sie sich als Streiterin gegen Homophobie verstanden werden möchte. Was natürlich auch deswegen Blödsinn ist, weil sie denjenigen, die sie für ihren „Mut“ loben, sich rassistisch und sexistisch zu äußern und hierbei kein Blatt vor den Mund zu nehmen, eben nicht widerspricht, sondern sich selbst dann auch noch für diesen Mut rühmt.

Rassismus geht durch als „Mut“, als „unbequem sein“, als etwas, das man irgendwie aushalten muss. Soweit ist es jetzt offensichtlich auch beim Berliner CSD schon gekommen, das legen zumindest die Planungen dort nahe.

Wie gesagt, all das ist nicht neu. Hier nur ein paar Tiefpunkte zur Erinnerung:

Erst 2017 hatte sich die Berliner SPD nach einer Anfrage des Nollendorfblogs von ihrer damaligen „Toleranzbotschafterin“ getrennt, nachdem diese nach einer homophoben Attacke mit leichten Verletzungen (hier die Hintergründe) gefordert hatte, einen in Deutschland geborenen jugendlichen Täter in ein Kriegsgebiet abzuschieben („Es ist doch zum Kotzen! SOFORT ABSCHIEBEN! Ob in Deutschland geboren oder nicht. Wer Stress haben will, für den lässt sich doch bestimmt ein tolles Kriegsgebiet finden…..“)

Die SPD schrieb damals:

„Äußerungen wie diese sind völlig inakzeptabel. Wir distanzieren uns nachdrücklich von diesen menschenverachtenden Kommentaren.“

Nina Queer mochte sich damals von ihrer Aussage auch nach heftiger Kritik nicht eindeutig distanzieren. Sie sei „möglicherweise“ über das „Ziel hinausgeschossen“, und – natürlich! – missverstanden worden. Was es an einer solchen Aussage misszuverstehen gibt? Egal!

Dass sie in ihrer BILD-Kolumne sexistische Klischees und schwulen Selbsthass schürte, ist natürlich von der Meinungsfreiheit gedeckt. Aber auch hier trieb sie es auf die Spitze, als sie so viele (bis heute nicht korrigierte) gefährliche Falschbehauptungen über die PrEP verbreitete, dass spätestens nun allen klar sein musste, dass sie für etwas Aufregung sogar die Gesundheit der Community aufs Spiel zu setzen bereit ist. Enough is Enough entschuldigte sich damals für das Weiterverbreiten des Textes und kündigte an, künftig keine Kolumnen der Dragqueen zu posten. Die Kolumne sei

inhaltlich und sprachlich indiskutabel und aus Sicht einer guten gesundheitlichen Aufklärung schädlich und gefährlich“

und

„Eine solche Kolumne, die so voller Falschinformationen, Klischéebehauptungen und Beleidigungen steckt, KANN keine Grundlage für eine angemessene Diskussion sein.“

Dass der CSD Berlin vor einem Engagement der Dragqueen nicht wenigstens in diesem Punkt auf eine öffentliche Klarstellung verlangt hat, darf von dieser als Ermutigung verstanden werden, auch weiterhin die Fakten zur HIV-Prävention öffentlich in die Tonne zu treten.

Aber was will man von einem CSD-Vorstand erwarten, der sich angeblich für Black Lives Matter starkmacht, aber es nicht dann als ein Ausschlusskriterium betrachtet, wenn eine ihrer Moderatorinnen das N-Wort postet.*

Und dann auch noch so:

„In meiner Frauengruppe muss mindestens einmal mit einem N. (Unkenntlichmachung des im Post ausgeschriebenen N-Worts von mir) geschlafen zu haben, um den Vorwurf des Rassismus wirkungsvoll entgegen zu treten“

Auch dieser Facebook-Post wurde erst nach über einem Tag erst gelöscht, als sich die womöglich zukünftige Star des Berliner CSD-Programms ausgiebig in Kommentaren und Likes für diesen „Spaß“ feiern ließ.

Ob man wirklich gegen Rassismus und Sexismus ist, zeigt sich weniger daran, ob man dies von sich behauptet, sondern daran, was man tut. Auf Anfrage wollte der Berliner CSD mir gestern nicht mitteilen, ob Nina Queer (noch) Teil des Programmablaufes ist. Sollte der CSD-Vorstand an seinen Planungen mit Nina Queer festhalten, sollten sich dort keine Künstler*innen blicken lassen, denen die Ächtung von Rassismus und Sexismus wirklich am Herzen liegt.

Denn sonst müsste es heißen: Lieber keinen CSD als diesen!


* Korrektur, 19. Juli 20120: Ursprünglich hatte hier fälschlicherweise gestanden, dass das Posting von 2020 sei. Es ist zwar heute noch als FB-Foto online aber stammt ursprünglich von 2013.

UPDATE: Nina Queer will Nollendorfblog verklagen und belügt ihre Fans


Mehr zum Thema in diesem Blog:

Rassismus: Warum Nina Queer nicht Borat ist


Vielen Dank an alle, die dieses Blog mit ihren Beiträgen gerade in diesen schweren Zeiten ermöglichen! Als unabhängiges und werbefreies Blog brauchen wir Deine Hilfe. Hier kannst Du uns auf Paypal unterstützen. Oder hier ein freiwilliges Unterstützerabo abschließen:


Mehr dazu: Das Nollendorfblog braucht Deine Unterstützung