Berliner CSD-Vorstände relativieren Rassismus

Der Berliner CSD e.V. hat sich für den „digitalen“ CSD eine Mammut-Aufgabe vorgenommen. Über 10 Stunden Live-Programm, 26 Gruppen sollen einzeln vorgestellt werden, sogar die „Soul of Stonewall“-Awards werden vergeben und zwei davon sogar trotz Corona persönlich. Ich habe das Konzept und vor allem die Kommunikation in den letzten Wochen oft kritisiert. Aber natürlich ist dem CSD e.V. zu wünschen, dass das alles so klappt und ihm damit eine Aufmerksamkeit für die Anliegen der Community gelingt. Doch daran sind große Zweifel angebracht, da der Vorstand – und insbesondere die Vorstände Ralph Ehrlich und Lutz Ermster -beim Thema Rassismus und Sexismus rumeiern und damit die Glaubwürdigkeit der ganzen Veranstaltung massiv untergraben.

Beide Vorstände haben sich im Rahmen einer Pressekonferenz für dem am Samstag geplanten digitalen CSD 2020 nicht von den sexistischen und rassistischen Aussagen von Nina Queer distanzieren wollen. Noch am Freitag war die für ihre rassistischen und sexistischen Provokationen bekannte Dragqueen als Moderatorin Teil des internen Ablaufplanes gewesen. Nina Queer selbst hatte dem rbb schon im Mai mitgeteilt, dass sie als Moderatorin und Interviewerin beim CSD dabei sei. Nachdem es in den letzten Tagen großen Unmut unter anderen teilnehmenden Künster*innen wegen des Nina-Queer-Engagements gegeben hatte, hatte ich am Freitag beim CSD nachgefragt, ob ein Auftritt der Dragqueen noch geplant ist. Eine Antwort darauf, so wurde mir heute mitgeteilt, sei am Freitag aus zeitlichen Gründen nicht möglich gewesen. Ganz glaubwürdig klingt das nicht, offensichtlich wurde die Rolle von Nina Queer mittlerweile gestutzt, sie soll nun keine Moderatorin mehr sein, es soll nur auf eine Kooperationsparty geschaltet werden, die von Nina Queer organisiert und in ihrem Namen beworben wird. Während der Pressekonferenz (und Nachfragen, die ich nach der Pressekonferenz aufgenommen habe) übten sich die Vorstände Ralph Ehrlich und Lutz Ermster in unterschiedlichen Erklärungsversuchen hierzu. Zusammengenommen machen diese überhaupt keinen Sinn:

Denn einerseits behauten sie, ein Einsatz Nina Queers sein nie geplant gewesen.

Und andererseits äußern sie sich so, als ob ein Einsatz Nina Queers trotz der Sexismus- und Rassismusvorwürfe unproblematisch wäre. Aber warum gibt es einen solchen Einsatz dann nicht, wo doch sogar Nina Queer selbst diesen verkündet hatte? Wo doch das ganze mit Nina Queer angeblich nicht so schlimm ist?

Auf meine Frage während der Pressekonferenz, wie man ausgerechnet in dem Jahr von Blacks Lives Matter auf die Idee kommen kann, eine Moderatorin zu verpflichten, deren Rassismus und Sexismus so ausreichend belegt ist, sagte der CSD-Vorstand als erstes:

„Wir können natürlich nicht immer alles steuern, was Menschen draußen sagen“

Irgendein Mensch sagt also irgendwas. Dass „irgendwas“ Rassismus und Sexismus ist, und dass dieser Mensch aus irgendwelchen Gründen irgendein Teil des CSD-Programms ist? Offensichtlich kein Problem. Nur zur Erinnerung: Die Berliner SPD (Ehrlich ist übrigens Wahlkreis-Mitarbeiter des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller von der SPD) stoppte die Zusammenarbeit mit Nina Queer 2017 aufgrund deren „menschenverachtenden Kommentaren“, Enough is Enough weigerte sich, ihre Kolumne weiterzuverbreiten, denn diese sei „so voller Falschinformationen, Klischéebehauptungen und Beleidigungen“ und Nina Queer selbst löschte erst gestern und erst nach großer Kritik einen rassistischen und sexistischen Facebookpost inkl. des N.-Worts. Irgendwas halt.

(Hier zur Übersicht die Entwicklungen der letzten Tage im Blog:„Black Lives Matter“: CSD Berlin möchte rassistischer und sexistischer Provokateurin Plattform bieten // Geplante Berliner CSD-Künstlerin will Nollendorfblog verklagen und belügt Fans)

Da meine Nachfragen hierzu in der Pressekonferenz ausweichend beantwortet wurden und es u.a. hieß, dass es doch Wichtiges gäbe, bot man mir an, nach dem Pressetermin meine Fragen persönlich stellen zu können. Als ich dann darauf zurückkommen wollte und bereits bei CSD-Vorständin Dana Wetzel mit meinem Aufnahmegerät am Tisch stand, kam CSD-Vorstand Lutz Ermster dazu und wollte das Gespräch unterbinden, es dürften von mir keine weiteren Fragen gestellt werden. Dana Wetzel setzte sich schließlich durch und bestand darauf, mit mir reden zu können. In dieses Gespräch, dass ich vereinbarungsgemäß aufgezeichnet habe, mischte sich dann Lutz Ermster mehrmals ein.

Um die absurden Zustände beim Berliner CSD zu dokumentieren hier die Passage, in der Lutz Ermster (noch viel deutlicher als sein Kollege Ralph Ehrlich) den Rassismus von Nina Queer relativiert und so tut als seien Rassismus- und Sexismuskritik nur irgendwelche persönlichen Probleme:

Nollendorfblog: Waren Euch die Rassismusvorwürfe gegen Nina Queer nicht bekannt, oder warum habt Ihr sie trotzdem – in egal welcher Funktion – ins Programm geholt?

Lutz Ermster:  Die Tatsache, dass ein gewisser Teil der Community mit Nina Queer ein Problem hat, ist doch schon lange bekannt. Es gibt die blu-Ausgabe für jetzt und für August, da gibt es ein richtiges Interview mit Nina Queer. Wie ist denn das zu werten?

Nollendorfblog: Ich stelle hier die Fragen, ich bin hier gerade der Journalist. Das heißt, die Rassismusvorwürfe gegen Nina Queer sind nicht so schwer einzuordnen deiner Meinung nach?

Lutz Ermster: Ich kann das gar nicht bewerten.

Nollendorfblog: Aber die Rassismusvorwürfe sind doch klar dokumentiert.

Lutz Ermster: Es gibt aber andere, die sehen es nicht so.

Nollendorfblog: Das heißt, Ihr haltet Euch da raus?

Lutz Ermster: Ja, der CSD ist doch kein Richter. Wir bieten eine Plattform an.

Nollendorfblog: Also auch (für) Menschen, die sich rassistisch äußern?

Lutz Ermster: Das kann ich so nicht sagen. Es gibt Leute, die sehen es nicht so. Was sollen wir denn jetzt machen? Jetzt sind wir die einzigen Bösen zuzusagen, weil wir in sozusagen in irgendeiner Form mit Nina Queer zusammenarbeiten?

Dana Wetzel: Das tun wir doch gar nicht.

Lutz Ermster: Das tun wir ja nicht mal. Aber ich frage mich, was ist eigentlich das Ziel deiner Aktion? Hier stehen junge Leute, die arbeiten, wir haben polnische Aktivisten eingeladen. Statt darüber zu reden ist es dir wichtiger …

Nollendorfblog Tu ich doch, ich habe über polnische. (* siehe unten: Faktencheck).. das stimmt doch nicht.

Dana Wetzel: Als Sie darüber gesprochen haben, hatten wir das schon lange auf dem Schirm und haben daran schon gearbeitet.

Nollendorfblog: Aber eben hieß es, ich spreche nicht darüber. Aber okay. Das heißt, die Rassismus-Vorwürfe …

Lutz Ermster: Was wollen Sie uns denn in den Mund legen?

Nollendorfblog: …. die Rassismusvorwürfe gegenüber Nina Queer werden vom CSD nicht als solche –

Lutz Ermster: Ich nehmen die zur Kenntnis.

Nollendorfblog: Aber die werden nicht geteilt?

Lutz Ermster: Natürlich. Es werden Rassismusvorwürfe generell – was heißt Rassismusvorwürfe? – werden generell nicht geteilt.

Nollendorfblog: Aber die Vorwürfe werden nicht geteilt? Ihr macht Euch die Vorwürfe nicht zu eigen?

Lutz Ermster: Wir haben gar keine Zeit, uns damit teilweise zu beschäftigen. Es ist einfach eine Sache, es ist ein Teil der Community, die damit scheinbar ein Problem hat. Das nehme ich zur Kenntnis. Aber es gehen ja auch etliche Leute in der Community hin, in der Zeitschrift blu wird’s veröffentlicht, die haben auch scheinbar kein Problem damit. Wie ist denn das zu sehen?

Nollendorfblog: Das heißt, Ihr habt die selben Ansprüche an Euch wie die Zeitschrift blu?

Lutz Ermster: Wir brauchen doch gar nicht weiter reden. Sie möchten doch einfach nur von uns hören, so eine Art Schulbbekenntnis von uns haben, oder irgendwas. Was wollen sie konkret erfahren?

Nollendorfblog: Ich stelle Fragen, und möchte gerne einfach wissen: Es gab widersprüchliche Angaben. Sie war Teil des Programms, dann hieß es wieder, sie war nicht Teil des Programms.

Dana Wetzel: Nein. Ich habe gesagt, es war ein Arbeitsstand des Programms, es war aber nie geplant, dass Nina Queer dort moderiert. Es ist eine Live-Schalte in die Location …

Lutz Ermster aus dem Hintergrund über mich:  … Leute wie der machen die Community kaputt.

Nollendorfblog: Also kritische Nachfragen heißt „kaputt machen“?

Lutz Ermster (ironisch): Ja natürlich, „kritische Nachfragen“ …

Nollendorfblog: Ich stelle nur kritische Nachfragen.

Lutz Ermster: Ich weiß ja …

Nollendorfblog: Und weil sie dir nicht passen, ist es „Community kaputt machen“? Du hast gerade gesagt, Leute wie ich machen die Community kaputt.

Lutz Ermster: Ich glaube, dass wir beide genau wissen, worüber wir reden.

Nollendorfblog (verwundert): Drohst du gerade, oder was? Entschuldigung, wieso macht Ihr ne Pressekonferenz, wenn Journalisten den Vorwurf gemacht bekommen, die Community kaputtzumachen. (Zu Dana Wetzel) Teilst du das auch, dass diese Fragen von mir die Community kaputt machen.

Dana Wetzel: Ich finde es zumindest nicht förderlich für den Zusammenhalt.

Rassismus, Sexismus? Schwamm drüber, kann man ja alles so oder so sehen. Das ist der Berliner CSD 2020.


* Kurzer Faktencheck: Hier meine Beiträge zum Thema Polen und Berliner CSD 2020:

Mein Vorschlag für einen wirklich politischen Berliner CSD 2020

Dringender Hilferuf aus Polen an die deutsche Community und den Berliner CSD

Mehr zum Thema in diesem Blog:

Black Lives Matter“: CSD Berlin möchte rassistischer und sexistischer Provokateurin Plattform bieten 

Geplante Berliner CSD-Künstlerin will Nollendorfblog verklagen und belügt Fans)

Rassismus: Warum Nina Queer nicht Borat ist


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