Nina Queer entschuldigt sich für rassistisches Posting und fällt Berliner CSD-Vorständen in den Rücken

Gestern noch haben die beiden Berliner CSD-Vorstände Ralph Ehrlich und Lutz Ermster die rassistischen Aussagen von Nina Queer relativiert. Lutz Ermster wollte noch nicht einmal bewerten, ob es sich überhaupt um Rassismus handelt. Nun fällt die Dragqueen den beiden (wahrscheinlich ohne es zu beabsichtigen) in den Rücken und stellt klar, dass ein durch den Nollendorfblog aufgedeckter rassistischer Post, mit dem die CSD-Vorstände offensichtlich kein so großes Problem hatten, nicht hätte sein dürfen. Auf Facebook schreibt sie heute:

Die Beleidigung einer ganzen Community stand 7 Jahre auf meiner Seite. Was ich zu tiefst verstörend und abartig finde. Was mich traurig machte. Ich bin ein Mensch der fühlt. Ich war lange in Therapie, um mich zu ändern. Um Ruhe zu finden. Wie ist das zu entschuldigen? Ich denke, indem man sich entschuldigt. ES TUT MIR LEID! Mehr noch. Ich schäme mich dafür. Unendlich.

So etwas darf nicht sein.

Nina Queer suggeriert in diesem heutigen Statement, dass die rassistische Aussage nicht von ihr, sondern von einer sie betreuenden Agentur stamme, übernimmt aber die Verantwortung dafür, den betreffenden Post so lange nicht gelöscht zu haben. Ich maße mir nicht an, darüber zu spekulieren, wie glaubwürdig das ist, und darum geht es hier auch nicht. Doch es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass viele von ihren problematischen Äußerungen nach der Zeit entstanden sind, in der diese Agentur tätig gewesen sein soll.

Ziel meiner Blogeinträge war es, dazu beizutragen, dass auch in unserer Community Sexismus und Rassismus benannt und darüber geredet wird, was Sexismus und Rassismus ist. Dass wir uns nicht nur alle gegenseitig bescheinigen, nicht rassistisch und sexistisch zu sein, sondern dass wir hinschauen, wenn es um konkrete Verhaltensweisen und Äußerungen geht. Das gilt ganz besonders für Figuren, die in der Community eine große Reichweite haben. Umso besser, dass nun jemand klarstellt, einen Fehler gemacht zu haben. Was mich aber besorgt, ist, dass dies erst unter einem solchen Druck geschehen ist. Mit dem Umstand, dass Nina Queer zunächst alles abstritt, mir drohte und mich sogar verklagen wollte, habe ich weniger ein Problem. Wie aber die Community und ihre Institutionen angemessen mit Herausforderungen wie Sexismus und Rassismus umgehen, ist mir nicht egal.

Deshalb ist das Verhalten der CSD-Vorstände, die noch auf der gestrigen Pressekonferenz meine Fragen nach den Rassismus-Vorwürfen ihrer Kooperationspartnerin für abwegig, für nicht so wichtig und später sogar als Community-zerstörend bezeichnet haben, eine Katastrophe. Wie will man über Sexismus und Rassismus in der Community reden, wenn die Frage danach zum Problem gemacht wird und nicht der Sexismus und der Rassismus? Der CSD e.V. hätte eigentlich diese Fragen stellen und diesen Druck zur Klärung aufbauen müssen. Stattdessen werde ich jetzt dafür angegriffen, es getan zu haben:

Es ist schon nicht leicht, als Blogger die Aufmerksamkeit zu bekommen, die eine vernünftige Journalie mit wirklich kritisch hinterfragenden Journalist*innen wie die Siegessäule in der Community hat. Da hilft nur noch Kraealljournalismus statt sachlich-kritischer Journalismus,

schreibt etwa die Anwältin Sissi Bruckner aus dem CSD-Team auf Facebook. Das ist nicht nur bei ihr das Niveau, auf dem der Diskurs über Sexismus und Rassismus geführt. Beziehungsweise nicht geführt wird:

Warum greift mich niemand inhaltlich an, hält dagegen, sagt, wo er meine Argumentation für falsch hält? Oder erklärt mir, warum das vielleicht doch kein Rassismus oder Sexismus ist, oder warum es vielleicht falsch ist, ihn so zu bewerten, wie ich es tue? Stattdessen wird mir die Kompetenz und der gute Wille abgesprochen. (Was auch seine eigene innere Tragik hat: Der CSD Verein kooperiert mit einer Dragqueen, die ihre Aufmerksamkeit jahrelang durch Rassismus und Sexismus genährt hat und wirft dann einem Journalisten ein Aufmerksamkeitsproblem vor, wenn sich dieser auf einer Pressekonferenz mit seinen Fragen nicht abwimmeln lassen will.)

Und selbst wenn!

Selbst wenn ich diesen Blog und solche Dinge nur schreiben würde, weil ich mich so toll finde und unbedingt gesehen werden möchte, –  selbst wenn (was mir auch immer wieder gerne unterstellt wird) ich das alles nur tun würde, weil ich mit irgendjemandem irgendwelche persönlichen Rechnungen offen habe (was nicht der Fall ist), – selbst wenn ich sie auf der Pressekonferenz schrecklich genervt habe (was tatsächlich der Fall ist), weil, wie ich finde, sie sich um klare Aussagen drückten, sie meine schriftlichen Fragen hierzu nicht beantworten konnten oder wollten und sie, wie sie finden, doch Wichtigeres zu sagen haben:

Wäre es nicht selbst dann für CSD-Aktivist*innen Pflicht, über Rassismus und Sexismusvorwürfe zu sprechen, die im Raum stehen statt über die, die ihnen damit auf den Zeiger gehen?

Nachtrag:

Immer mehr wichtige Akteur*innen distanzieren sich:

Ich habe absolut kein Verständnis dafür, sich als Vorstand des CSD e.V. auf eine Zusammenarbeit mit einer zwielichtigen und wenig seriösen Persönlichkeit wie Nina Queer einzulassen, die weiß Gott kein unbeschriebenes Blatt ist, sich aber gerne als verfolgte Unschuld aufspielt, sodass man wirklich den Eindruck gewinnen könnte, keine Ahnung davon zu haben, worum es sich dreht. Wovon man aber im Fall des CSD-Vorstands ausgehen sollte, in seiner eminent politischen Funktion, in der er nichts verloren hat, sollte er sich dessen nicht bewusst sein.

Bernd Gaiser, einer der Gründungs-„Väter“ des Berliner CSD

„Die Wenigsten von uns tragen etwa die traumatische und stolze Geschichte der afro-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung in sich, und doch marschieren Tausende von uns solidarisch auf BLM-Demos. Dass der CSD Berlin – Berlin Pride das Thema #BlackLivesMatter zum zentralen Kampfbegriff kürte, war mehr als angemessen: Es war überfällig, es war dringend, und hoffentlich nicht nur ein Lippenbekenntnis. Denn die mediale Berichterstattung kommt um CSD-interne Verharmlosung von Rassismus und ausgebremste Pressefreiheit nicht mehr herum. ✊
Hoffen wir, dass der Schatten über dem diesjährigen Fest mit neuer Besetzung und klugen Entscheidungen bis 2021 verschwinden wird. Getreu dem (etwas unglücklich gewählten) CSD-Motto „Don’t hide your Pride!“ konzentriert die #TfD ihre Energien auf wichtige Projekte fernab dieses Spektakels, und engagiert sich stolz für jene Events in der Community, deren solidarische Worte auch Taten folgen.“
Travestie für Deutschland, Berliner Aktivist*innen Gruppe
Nachtrag II, die Ereignisse überschlagen sich, mittlerweile distanziert sich sogar der CSD e.V von sich selbst:
Liebe Freund_innen des Berliner CSD,
mit Bedauern nimmt der Vorstand des Berliner CSD zur Kenntnis, dass bezüglich der „Causa Nina Queer“ Irritationen entstanden sind, zu denen wir Stellung nehmen:
1. sprechen wir uns entschieden gegen jede Form von Rassismus und Sexismus aus.
Jede einzelne Person im jetzigen Vorstand des Berliner CSD e.V. steht in seiner/ihrer Vita für einen langjährigen Kampf gegen Homo-Trans-Interphobie und Ausgrenzung von People of Color, Menschen mit Behinderung, Menschen mit HIV sowie für den Schutz von geflüchteten Menschen.
2. Nina Queer ist nicht Bestandteil des Programms des CSD 2020. Ferner distanzieren wir uns ganz eindeutig von ihren Äußerungen, die Menschen herabwürdigen und/oder rassistisch / sexistisch sind.
Wir möchten für Fehler, die wir in der Kommuniaktion gemacht haben, um Entschuldigung bitten und werden diesen Lernprozess im Rahmen des Programms des diesjährigen CSDs transparent thematisieren.
Der Vorstand des Berliner CSD e.V.
Jasmin Semken
Lutz Ermster
Dana Wetzel
Ralph Ehrlich
Berlin, 22. Juli 2020
Und falls noch jemand Lust hat: Hier noch in eigener Sache mein Facebook-Post von mir von heute Abend (22. Juli 2020)
Weil der Berliner CSD-Vorstand sich mehrmals über mein Vorgehen in dieser Sache beschwert hat und mir unlautere Motive unterstellt, hier aus Transparenzgründen die Schritte, die aufzeigen, wie ich tatsächlich vorgegangen bin.
Folgende Presseanfrage habe ich in der Nacht von Donnerstag auf Freitag verschickt, also noch bevor ich irgendetwas zur Sache geschrieben habe:
Liebes Presse-Team des Berliner CSD e.V.,
für die Berichterstattung im Nollendorfblog möchte ich um die Beantwortung folgender Frage bitten:
Stimmt es, dass Nina Queer als Teil des Programms des diesjährigen virtuellen Berliner CSD eingeplant war oder ist?
Es wäre schön, wenn eine zeitnahe Antwort vor Samstag möglich wäre.
Viele Grüße,
Johannes
Wenn es so war, wie jetzt behauptet wird, hätte man diese Frage in einer Minute mit einer Zeile oder weniger mit „nein“ beantworten können. Aber das wollte oder konnte man nicht. Stattdessen habe ich folgende Mitteilung erhalten:
Hallo Johannes,
bitte habe Verständnis, dass wir eine Woche vor dem Event die Beantwortung individueller Presseanfrage nicht mehr schaffen. Du bist aber herzlich zur PK am 21.7. eingeladen und kannst dort gern deine Fragen stellen.
Viele Grüße
M.
(CSD Berlin)
Mir war mittlerweile bekannt, dass viele Künster*innen einen Ablaufplan hatten, bei dem Nina Queer als Moderatorin eingetragen war. Einige wollten ihren Auftritt auch davon abhängig machen, ob Nina dabei ist. Ich wollte mich also nicht bis zur Pressekonferenz hinhalten lassen, und schrieb am Freitag meinen ersten Blogbeitrag dazu, der dann am Wochenende für große Diskussionen sorgte. In der Community gab es ein berechtigtes Interesse darüber, wie der CSD zu Nina und den Rassismusvorwürfen steht. Ich habe deshalb am Montag folgende Presseanfrage gestellt, und gebeten, diese innerhalb von sechs Stunden zu beantworten, weil ich Sorge hatte, dass diese Sache nicht vor der Pressekonferenz geklärt werden kann:
Liebes Team des Berliner CSD e.V.
Nina Queer hat von Euch unwidersprochen bereist im Mai in einem RBB-Interview bekannt gegeben, dass sie als Moderatorin des digitalen CSD 2020 im Einsatz sein wird.
Sie hat sich in den von mir im Nollendorfblog am 18. Juli 2020 (Link) dokumentierten rassistischen und sexistischen Äußerungen bis heute nicht distanziert.
Deswegen meine Fragen an Berliner CSD e.V.:
1.) Distanziert sich der Berliner CSD (in Form des Vorstandes, durch Sprecher*innen oder andere offizielle Vertreter*innen) von diesen Äußerungen?
2.) Hält der Berliner CSD trotz dieser Äußerungen an seinem Engagement von Nina Queer für das Programm des digitalen CSD fest?
Aufgrund der großen grundsätzlichen Bedeutung und des ebenso großen öffentlichen Interesses bitte ich um zeitnahe Antwort – bitte bis spätestens heute um 15.00 Uhr. Ich denke, dass diese Fragen innerhalb von sechs Stunden beantwortbar sein sollten.
Mit freundlichen Grüßen,
Johannes Kram
Auf diese Presseanfrage von Montag früh bekam ich nicht einmal eine Absage. Man wollte oder konnte dazu nichts sagen, obwohl es doch so einfach gewesen wäre. Ich bin also am Dienstag auf die Pressekonferenz, wo man mir sehr widersprüchliche Dinge zum Thema sagte und auch Dinge, die aufgrund meiner Informationen so nicht stimmen konnten oder sehr unglaubwürdig waren. Einmal war die Rede davon, dass Nina Queer Kooperationspartnerin ist, dann hieß es wieder, es ging nur um den Ruderclub und es wurde quasi so getan, als ob der mehr oder weniger zufällig da sei, wo auch die Nina Queer Party sei. Also alles sehr merkwürdig und deswegen habe ich nicht lockergelassen, da mir bewusst war, dass es eine Sache war, die die Community von großem Interesse wäre, was dort aber wiederholt verneint wurde.
Auch habe ich immer wieder versucht, ein klares Statement zu den Rassismusvorwürfen gegen Nina Queer zu bekommen. Auch hier wurde mir gesagt, das Thema sei doch nicht so wichtig und ich könne ja nach der Pressekonferenz kommen, und dann meine Fragen persönlich beantwortet zu bekommen. Doch auch da ging es offensichtlich nur darum, mich hinzuhalten, weil einer der Vorstände untersagen wollte, dass ich noch irgendwelche Fragen stellen konnte.
Alles, was der CSD heute verlautbart hat, hätte er bereits am Freitag mit zwei ganz kleinen Sätzen nach meiner ersten Anfrage sagen können. Und am Samstag und auch am Sonntag, als es eine riesige Online-Diskussion gab. Oder am Montag nach meiner zweiten schriftlichen Anfrage. Oder am Dienstag auf der Pressekonferenz. Aber sie haben es nicht gemacht. Es liegt nicht an mir, dass daraus so ein großes Ding geworden ist. Bitte beurteilt selbst, ob mein Vorgehen angemessen war. Und bitte beurteilt selbst, wie glaubhaft ist, was sie jetzt behaupten.
Johannes

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