Michael Müller und die SPD sind mitverantwortlich für den Skandal-LSVD Berlin-Brandenburg

Vorschaufoto: Sandro Halank, Wikimedia Commons, CC-BY-SA 3.0

Die Macht des Berliner LSVD ist nicht darin begründet, dass er viele Mitglieder hat, dass er viele Leute auf die Straße bringt, oder dass er etwa gute Ideen oder ein gutes Händchen hat, wenn es darum geht, die Interessen der Community zu vertreten, All dies hat der LSVD Berlin Brandenburg nicht nötig. Denn seine Macht liegt einzig darin begründet, dass er Macht hat und sie verteidigt, dass er Geld einsammelt, das eigentlich der Community zur Verfügung stehen sollte weil er sich darauf spezialisiert hat so zu tun, als sei er die Community, so als ob das, was er tut, der Community nützen würde.

Dabei ist genau das Gegenteil der Fall. Ich kenne keine Berliner LGBTI-Organisation, die nicht darüber klagt, dass der LSVD vor allem darauf aus ist, alle guten Ideen und Initiativen in der Szene entweder zu verhindern oder in irgendeine Weise für sich zu kapern. Aber nicht, um diese dann groß rauszubringen. Der LSVD ist eine Heuschrecke, die alles drum herum abgrast, nur um selbst immer fetter zu werden. Doch fast nichts, was der LSVD BB macht ist darauf ausgerichtet, etwas zu bewirken. Es geht darum, der Politik (von der er dafür bezahlt wird) und der Wirtschaft (die ihn darin unterstützt) Bilder dafür zu liefern, dass etwas passiert.

Nollendorfblog vom 12. Oktober 2018

Schon seit Jahren fragt man sich, was eigentlich noch alles passieren muss, damit die Berliner Politik und insbesondere der SPD-geführte Berliner Senat sich endlich von diesem Verein distanziert, der seit Jahren systematisch gegen die LGBTI-Community agiert, aber in deren Namen Steuer- und Sponsorengelder einkassiert, für deren Verwendung er sich öffentlich nicht erklären möchte.

Und nein, dies ist nicht, wie so gerne behauptet wird, ein „Streit in der Berliner Community.“ Es ist, wenn überhaupt, ein Streit, ein Angriff auf die Community. Mit Unterstützung der Politik und vor allem des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller.

Dass Müller Anfang des Monats ausgerechnet mit dem LSVD BB-Geschäftsführer (und der BVG-Vorstandsvorsitzender Sigrid Nikutta) vor dem Roten Rathaus die Regenbogenflagge hisste, kann nur als ein Ergebnis unglaublicher Ahnungslosigkeit verstanden werden. Oder eben als ganz bewusste Provokation der Berliner LGBT-Community durch den Regierenden.

So oder so ist es ein verherendes Signal: Alle mal hergehört, dieser Verein darf sich wirklich alles erlauben. Und der Rest der Community ist uns egal!

Selbst dass sich in diesem „Rest“ auch fast alle maßgeblichen lesbischen VertreterInnen der Berliner Community wiederfinden, die völlig zu Recht Solidarität mit der durch den LSVD Berlin Brandenburg öffentlich diskreditierten Spandauer Frauenbeauftragten Juliane Fischer einfordern, scheint für Müller keine Rolle zu spielen.

Man mag es sich kaum vorstellen, dass der Regierende wirklich nicht vom Skandal um die Hissung der Regenbogengenflagge vor dem Spandauer Rathaus weiß, bei dem der LSVD Berlin Brandenburg nicht nur ganz offensichtlich vorsätzlich desinformierte, sondern und auch noch über Bande mit der AfD spielte, um zumindest in Kauf zu nehmen, dass die dortige Frauenbeauftragte Fischer einem auf den eigenen Desinformationen aufgebaute Hetzkampagne ausgesetzt ist.

(Was genau passiert ist, ist etwas verworren, aber Christian Knuth hat die Chronologie des Skandals akribisch in der blu zusammengetragen: „LSVD Berlin Brandenburg arbeitet mit AfD zusammen?“ Lesenswert dazu der Kommentar von Stephanie Kuhnen in der Siegessäule: „Dieser Damm hätte nicht brechen sollen.“)

Ganz offesichtlich nur deshalb, weil sie sich an ein Tabu der Berliner Politik gewagt hatte: Dem LSVD Berlin Brandenburg kritische Fragen zu stellen.

(Über meine Erfahrung mit kritischen Fragen an den LSVD BB schreibt hier Rainer Hörmann in seinem Blog „Samstag ist ein guter Tag“)

Selbst PolitikerInnen der Berliner Koalition berichten hinter vorgehaltener Hand von Drohgebärden des Verbandes, sobald sich dieser unangenehmen Fragen ausgesetzt sieht. Das Signals Müllers ist deshalb verheerend. Wiedereinmal bleibt es für den LSVD BB Brandenburg ohne Folgen, wenn er kritische Nachfragen durch gezielte Einschüchterung und Diffamierung der Fragenden beantwortet. Doch Müller hat sich nicht nur nicht distanziert. Er hat dem Skandalverein auch noch den demonstrativ den Rücken gestärkt. Es ist ja nicht so, als ob bei der Flaggenhissung vor der Roten Rathaus nicht auch andere Verbände oder ProtagonistInnen eine gute Figur machen könnten.

Das Verhalten Müllers ist besonders brisant, weil der LSVD Berlin Brandenburg Gelder im Namen des ominösen und von Senat und vielen Wirtschaftsunternehmen unterstützen „Bündnis gegen Homophobie“ einsammelt und verwaltet, ohne erklären zu wollen, wozu diese Gelder verwendet werden. Und ohne in irgendeinen Dialog mit der Community zu treten zu wollen, was man damit sinnvoll machen könnte.

(Hier die ganze Geschichte im Blog: Bündnis gegen Homophobie“: Wie der Berliner LSVD gegen die eigene Community kämpft)

Gelder, die zum Kampf gegen Homohobie gedacht waren, werden so de facto dazu verwendet, die Community zu schwächen, weil sie einen Verein unterstützen, der alles dafür tut, die Community klein zu halten. Die Politik, und vor allem die SPD, hat sich so eine staatlich subventionierte Pinkwashing-Agentur herangezüchtet, die unverhohlen LGBTI-Interessen konterminiert.

Wie beabsichtigt oder unbeabsichtigt korrupt dieses System funktioniert, zeigte sich zuletzt beim lauten Schweigen des LSVD BB, als die Messe Berlin den Homofolterstaat Malaysia als Partnerland der Tourismusmesse ITB hofierte. Die Messe Berlin ist Mitglied im vom LSVD gemanagten „Bündnis für Homohobie“, das ganz offensichtlich eher dazu taugt, ihre Mitglieder vor Homophobie-Vorwürfen zu schützen. Mitglieder dieses zwielichtigen Bündnisses, mit dem der LSVD BB von der Berliner Community abschottet und seine Macht demonstriert, sind u.a. die Wall AG, Coca Cola, die Deutsche Bank, die Berliner Bank, die Berliner Sparkasse, die BVG, die AOK, SAP und der Pharmakonzern Pfizer, „… obwohl er in den USA 2017 und 2018 fast eine Million Dollar an homo- und transfeindliche Politiker spendete,“ wie der rbb kommentierte. Richtig ist wohl eher: Weil er fast eine Millionen Dollar an homo- und transfeindliche Politiker spendete. So geht Pinkwashing.

Wie hemmungslos Berliner SPD-PolitikerInnen die Dienste des LSVD in Anspruch nehmen, führte vor ein paar Jahren die damals im Senat für den LSVDBerlin Brandenburg zuständige Senatorin Dilek Kolat vor:

Als sich 2015 Kolat für die damalige SPD-CDU Koalition im Bundesrat bei einer Abstimmung um die „Ehe für alle“ der Stimme enthielt, musste die Senatorin keinen Druck durch den LSVD befürchten. Im Gegenteil durfte sie sie sich der PR-Unterstützung des durch ihre Verwaltung unterstützen Vereins sicher sein, wie sich der damalige Enough is Enough-Aktivist Alfonso Pantisano erinnert:

Wir demonstrierten vor dem Bundesrat und standen Spalier für die Fahrzeuge der Länderdelegationen, die an der Bundesratssitzung teilnehmen wollten. Dilek Kolat muss wohl schon im Gebäude gewesen sein – sie kam nämlich kurz vor Beginn der Sitzung raus und stellte sich vor dem Block des LSVD und anderer Aktivist*innen. Sie hielt eine kurze Ansprache, beteuerte ihre weitere Unterstützung beim Kampf um die Ehe für Alle – obwohl sie ja wusste, dass sie sich kurze Zeit später im Bundesrat ihrer Stimme enthalten würde. Nach der Ansprache bat sie hinter dem Banner stehen zu dürfen und rief die Journalisten zum Foto-Call. Jörg Steinert begrüßte sie und nahm die Senatorin für das Foto an seine Seite.

Die Absurdität dieser Siuation wurde nur noch dadurch gesteigert, dass den Beteiligten diese auch nicht im Ansatz bewusst gewesen zu sein schien. Das Simulieren von Aktivismus ist dem LSVD Berlin Brandenburg so selbstverständlich geworden, dass dieser sich nicht einmal dafür schämt.

Als ich die Senatorin Kolat 2014 nach der Verwedung von Geldern für eine fragwürdige Kampagne des „Bündnisses gegen Homophobie“ fragte, sprach sich die Senatsverwaltung laut internen Informationen aus dem Berliner LSVD offensichtlich mit dem Verband ab. Ergebnis war ganz offensichtlich eine gemeinsame Vernebelungsstrategie in die u.a. aus der Aussage der Senatorin bestand, den LSVD BB zu befragen, der sich wiederum weigerte, mir zu antworten. Außerdem verdanke ich Dilet Kolat, die heute Dilek Kalayci heißt und immer noch dem Berliner Senat angehört, die schönste Nicht-Antwort seit Bestehen dieses Blogs:

Warum hält die Senatsverwaltung den Lesben- und Schwulenverband Berlin Brandenburg für einen geeigneten Partner für eine solche Kampagne?

Kolat:
Gemäß dem Aktionsplan der Initiative Akzeptanz sexueller Vielfalt ist das Bündnis gegen Homophobie fortzuführen. Das Bündnis wurde vom LSVD Berlin-Brandenburg initiiert.

Alfonso Pantisano, mittlerweile im Bundesvorstand des LSVD aktiv, ist es zu verdanken, dass sich dieser aufgrund der Vorfälle in Spandau relativ eindeutig von seinem Berliner Verband distanziert hat. Pantisano selbst hat in einem persönlichen Statement den Rücktritt des Geschäftsführers Steinert gefordert.

Mir ist es egal, wer was in diesem Verein macht, weil dieser Verein egal ist, egal sein müsste. Das Problem ist nicht dieser Verein, sondern die Berliner Politik, der Berliner Regierende Bürgermeister und alle Berliner BürgemeisterInnen, Verbände und Unternehmen, die beim Hissen der Regenbogenflagge immer noch einen Verein promoten, den es ohne diese Promotion gar nicht geben würde. Politik und Wirtschaft müssen endlich aufhören, die Heuschrecke zu füttern, die die Berliner Community zerpflückt.


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