7/1 – „Das letzte, was wir brauchen ist Akzeptanz durch Anpassung.“ Von Marcel Dams / ‚Teilzeitvlogger‘

#7Tage7Blogger – 1. Tag

7 x 1 jahre nollendorfblog v. klettenberg
Willkommen zur schwulen Bloggerwoche. Anläßlich des Siebenjährigen dieses Blogs schreibt eine Woche lang jeden Tag ein anderer schwuler Blogger über die letzten sieben Jahre: Was bedeuten sie für die homosexuelle Emanzipationsbewegung, was für das schwule* Leben in Deutschland? Was hat sich verändert, wo standen wir damals, wo stehen wir heute?

 

Das letzte, was wir brauchen ist Akzeptanz durch Anpassung

 

von Marcel Dams / Teilzeitvlogger

In den letzten Jahren hat sich vieles zum Positiven verändert. Nein, die „Ehe für Alle“ ist immer noch keine Realität. Aber hey, wir waren schon mal weiter von ihr entfernt, als ein paar Bauchgefühle. Wenn das kein Erfolg ist. Die wahren Erfolge liegen aber woanders. Sichtbarkeit ist wohl die wichtigste Waffe, um unsere Akzeptanz voranzutreiben. Auf ihr baut fast alles auf. Sie sollte dort verteidigt werden, wo sie bereits herrscht. Dort erkämpft, wo sie noch fehlt.

Als Begründung kann man in die Vergangenheit schauen. Mutige Aktivist*innen haben laut für die heutigen Errungenschaften gekämpft. Ohne ihre oft provokanten Aktionen, wären wir nicht, wo wir sind. Man könnte die Gegenprobe aber auch in der heutigen Zeit machen.

Sichtbarkeit sorgt dafür, dass Menschen überhaupt die Möglichkeit haben sich mit einem Thema auseinander zu setzen, es zu verstehen, sich dafür zu öffnen und es schließlich auch zu akzeptieren. Das fällt besonders im Vergleich mit Russland und anderen Staaten auf, die uns und unsere Themen durch Verschärfungen von Gesetzen immer weiter in die Unsichtbarkeit drücken. Wer will sich schon dort outen, wo Verfolgung oder Repression die Folge sind?

Dazu passt eine Studie der Bertelsmann-Stiftung. Sie zeigt: Was Aufgeschlossenheit gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund betrifft, sind die Bürger*innen in den Bundesländern mit den höchsten Migrationsanteilen am offensten. „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“, die dort am meisten Zulauf haben, wo die wenigsten ausländischen Personen leben, lassen grüßen.

In Sachen Sichtbarkeit geht es immer weiter bergauf. Die Darstellung sexueller Vielfalt in Lehrplänen wird zunehmend diskutiert oder umgesetzt. Schulaufklärungsprojekte wie SchLAu, in denen Homo- und Bisexuelle oder Trans* Personen in die Klassen gehen, um anschaulich von sich zu berichten und Vorurteile abzubauen, sind immer gefragter. Auch in Medien, Politik, Sport, Film und Fernsehen sind wir immer selbstverständlicherer Teil des Ganzen.

Doch je sichtbarer wir werden, desto stärker erscheinen die Abwehrreflexe. Auch in den eigenen Reihen. Schwule die angepasst (und ich meine das nicht als negatives Adjektiv) leben, beschweren sich über „zu schrille“ CSDs oder Mitmenschen. Hier sind die Tunten Schuld, dort wird ein Übermaß an nackter Haut zum Problem und manchmal wird einfach zu viel gefeiert.

Ironischerweise waren es aber vor allem „die Schrillen“, die ihnen heutige Freiheiten erkämpften. Warum sollte also nicht jeder so leben, wie er/sie es für richtig hält? Ob offene Partnerschaft oder sexuelle Selbstbestimmung. Ob Tunte, Lederkerl, Diva, unauffällig oder eine bunte Mischung aus alledem. Das Letzte was wir brauchen, ist Akzeptanz durch Anpassung. Denn Vielfalt ist unsere Stärke! Das zeigen Vergangenheit und auch Gegenwart!

Wie emanzipatorisch sind wir also, wenn wir nur für Normativität kämpfen? Ich fürchte gar nicht, denn Akzeptanz durch Anpassung, ist dieser Bezeichnung nicht wert.

www.youtube.com/teilzeitvlogger

www.derteilzeitblogger.wordpress.com/

Der Videoblogger „Teilzeitvlogger“ Marcel Dams bloggt bereits seit 2010. Seine Videoansprachen haben sehr oft gleichzeitig großen Unterhaltungs- und Aufklärungswert. Das schöne ist auch, dass man oft nicht direkt weiß, ob er das jetzt ernst meint, oder nicht, dass er ein sehr guter Beobachter des neuhomophoben Sprechs ist, und es immer wieder schafft die absurden Argumentationsketten der Homophobiker bloßzustellen.  Er sieht sich vor allem als HIV & LGBTIQ*-Aktivist. Marcel ist Medienpreisträger der Deutschen AIDS-Stiftung und Facebook „Smart Hero Award“ Gewinner. Seine Laudatio zur Verleihung der „Kompassnadel“ des Schwulen Netzwerk NRW an SPIEGEL und SPIEGEL ONLINE fand bundesweit große Beachtung, weil er sich auch eindringlich und sehr persönlich mit der homophoben Berichtersattung des Magazins in der Vergangenheit beschäftigte.

Linktipp für Einsteiger: „Ein ♥ für Birgit Kelle: Gegen Heterophobie!“

Bisher auf „7 Jahre“ (Aktueller Nachtrag):

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das Gleiche ist, aber es ist nun mal ein schwules Blog und somit auch ein homosexuelles. J.K. 

Grafik: Thomas von Klettenberg

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