Wim Wenders‘ krasser Traum mit dem Papst.

Irgendwann wird Wim Wenders aufwachen, und dann wird ihm das alles entsetzlich peinlich sein. Irgendwann wird er zurückkehren aus diesem durch was auch immer verursachten Fiebertraum. Er wird erkennen, dass es ein Fiebertraum war und keine transzendentale Begegnung mit der ewigen Wahrheit. Er wird erkennen, dass er Mensch ist, ja, dass er sogar Wim Wenders ist und nicht ein Übermensch zusammengemorpht zu gleichen Teilen  aus Jacob und Wilhelm Grimm, Don Camillo und Leni Riefenstahl. Er wird erschrecken und gepeinigt sein von der Angst, dass nun in Zukunft alle tiefere Bedeutung seiner Filme in der Obsession nach überhöhtem Kitsch und hohlem Pathos vermutet werden wird. Er wird sich nackt fühlen durch diesen einen Film. Weil ernsthaft einem Wim Wenders ein solcher Film nicht passieren kann. Oder ein Wim Wenders nicht länger jemand sein kann, der irgendwie noch ernst zu nehmen ist.

Nun wäre auch das Sendungsbewusstsein weniger eitlerer Männer als Wenders durch die Möglichkeit auf die Probe gestellt worden, einen Dokumentarfilm über einen noch lebenden Papst drehen zu können -und diesen dann dafür auch noch stundenlang vor die eigene Kamera setzen zu können. („Papst Franziskus: Ein Mann seines Wortes“ heißt der Film, die Subline „Die Welt braucht Hoffnung“, hier gibt es den Trailer.)

Und auch der an vielen Stellen geäußerte Vorwurf, dass Wenders hier PR macht, weil er sich als Teil einer vom Vatikan initiierten Auftragsproduktion missbrauchen lässt, ist noch nicht das Schlimmste, das man über Wenders und deinen Papst-Franziskus-Film sagen muss. Denn noch schlimmer als die Verbreitung von Propaganda und die Erklärung von Propaganda zu Kunst ist es, den Gegenstand der Betrachtung, statt ihn „nur“ filmisch zu dokumentieren und propagandamäßig zu preisen, jeder Deutung zu entziehen. Oder anders gesagt: Sich päpstlicher als der Papst zu machen.

Denn nicht Franzikus ist es, der hier von allumfassender Wahrheit redet. Es ist Wenders. Wenders nimmt nicht nur all das, was Franziskus ihm erzählt, für bare Münze (inklusive der Heiligengeschichten, die er dokumentarisch nachdreht und kommentiert).  Er tut auch noch so, als  sei das, was der Papst da von sich gibt, die einzige Münze, ja, als sei das, was der Papst da sagt, die Wahrheit, die die Welt nur erkennen und umsetzen müsste, um erlöst zu werden.

Wenders im Off über Franziskus (kein Witz!):

„Sein einziger Status ist es, die Wahrheit zu sagen.“

Beim Thema Homosexualität spricht Wenders den Papst sogar an einer der Stellen heilig und attestiert ihm Wahrheit, wo Franziskus selbst gerne unterschiedliche und widersprüchliche „Wahrheiten“ streut (von denen einige dazu nicht nur nicht heilig, sondern sogar ziemlich böse sind). Denn Wenders pickt sich einzig einen harmlosen, wohlwollend klingenden O-Ton, der sich dann einreiht in so viel Harmloses und Wohlmeinendes drumherum, dass die Absicht des Regisseurs, dem Papst beim Thema Homosexuelle ausschließlich Harmloses und Wohlmeinendes zu unterstellen, auf geradezu ekelerregende Art deutlich wird.

Denn das von Wenders für den Film gewählte Papst Zitat aus dem Flugzeug ist nicht harmos …

„Wenn eine Person homosexuell ist und Gott sucht und guten Willens ist, wer bin ich, über ihn zu richten?“

.. und zwar nicht nur, weil der Papst in anderen Zusammenhängen später sehr wohl über LGTBI gerichtet hat und zudem den Katechismus nie infrage stellte, nach dem homosexuelle Handlungen gegen die natürlichen Gesetze verstoßen und nie zu billigen sind. Sondern auch, weil der Satz selber, also die Einschränkung, dass eine Person „Gott sucht und guten Willens ist“ eben auch so verstanden werden kann,  dass über diese Person nur dann nicht zu richten sei, wenn sie bereit ist, ihre Homosexualität nicht auszuleben oder gegen diese anzugehen. Wer das Thema Papst und Homosexualität aufmacht und dann in einem 90-minütigen Film nur diesen einen Satz dazu präsentiert, der hat nichts Gutes im Sinn. Zumindest nicht aus der Sicht von Homosexuellen.

Wenders tut so, als könne dieses Zitat für sich selbst stehen. Nein, selbst wenn man nicht erwarten möchte, da nachzufragen oder andere Informationen und Haltungen dazu zu präsentieren, kann man dann doch wenigstens erwarten, dass er das Zitat einfach weglässt.

Aber Wenders will es nicht weglassen, weil er nicht davon lassen kann, den Papst besser scheinen zu lassen als er ist.  Selbst dann, wenn er damit anrichtet, dass die Papst-Kritik von homosexueller Seite als unverständlich und bösartig erscheint und er den Papst sogar homo-freundlicher auftreten lässt, als der sich selber geben will.

Was muss das für ein krasser Fiebertraum sein.

Der arme Wenders. Gar nicht auszudenken, wie er sich für all das schämen wird. ♦

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4 Gedanken zu „Wim Wenders‘ krasser Traum mit dem Papst.

  1. Ja, der Vergleich passt perfekt. Wim Wenders hat sich auf die Ebene von Leni Riefenstahl begeben.

  2. Wim Wenders Lebenswerk ist so gewaltig und intellektuell briliant, dass es ihm egal sein dürfte wie ein Berliner Blogger über ihn schreibt. Und schämen muss er sich für nichts.

    Was mir sonst noch so einfällt? Gott sei dank bin ich Katholik! Lieber 10x Ja zum Papst als 1x Ja zur Homolobby!

  3. @ Karl: Und du bist extra hierher gekommen, auf einen SCHWULEN Blog, um das klarzustellen?

    Ich hoffe, die Aufdeckungen zum Missbrauch brechen euch das Genick. Lieber 1000x ja zu einvernehmlichem „unnatürlichem“ Sex als auch nur EINMAL ja zur Vergewaltigung eines Kindes.

  4. Wir sollten nicht päpstlicher als Wenders sein! Der Film wird im Archiv gelagert werden und die Welt interessiert sich nicht dafür – bis nach dem Tod von Franziskus! Amen

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