Chemtrails? Aliens? Homolobby? Was Ole von Beust Annegret Trump-Karrenbauer fragen sollte.

Vorschaufoto: CDU / Laurence Chaperon

Annegret Trump-Karrenbauer hat hart daran gearbeitet hat, sich die LGBTI-Community zum Feind zu machen. Und wer sie in Talk-Shows beobachtet, kann sehen, wie stolz sie darauf ist, wie sehr sie ihre homophoben Glaubenssätze dazu benutzt, um Prinzipienfestigkeit zu demonstrieren.

Deswegen wird es jetzt an diesem Donnerstag spannend:

Auf dem Empfang der „Lesben und Schwulen in der Union“ (LSU) im Konrad Adenauer Haus stellt sich Annegret Trump-Karrenbauer dem Homo-Thema. Der (schwule) ehemalige Hamburger Bürgermeister Ole von Beust wird mit ihr dort auf offener Bühne diskutieren, und natürlich darf erwartet werden, dass er die homofeindlichen Positionen seiner Parteichefin zur Sprache bringt, auch wenn er diese vielleicht nicht so benennen wird.

Zu erwarten ist: Trump-Karrenbauer wird irgendwie auf die Kritiker zugehen, wird nicht – wie bisher – weiter eskalieren. Anders macht dieser Termin überhaupt keinen Sinn. Sie wird also entweder irgendwie zurückrudern oder wenigstens versuchen, ihre Standpunkte verständlich zu machen, wird sich also bemühen zumindest im Ton weniger aggressiv, weniger unerbittlich zu sein.

Die Frage ist aber: Selbst wenn sie ihre Aussagen relativieren sollte, selbst wenn sie sich etwa zu Respekt für gleichgeschlechtliche Ehen durchringen könnte, oder diese zumindest in weniger abwertenden Worten beschreiben würde: Spielte das überhaupt noch eine Rolle? Selbst wenn sie sich ein Mea culpa abringen würde, würde ihr dann irgendjemand in diesem Land glauben, das dies nicht ein rein taktisches wäre?

Natürlich ist es okay, ja sogar notwendig, dass Politiker ihre Positionen ändern. Es ist okay, weil sich ja die Überzeugung ändern kann. Aber es ist auch okay aus taktischen Gründen. So funktioniert eben Politik. (Auch wenn die Erkenntnis natürlich für die CDU niederschmetternd sein müsste, dass die taktischen Fähigkeiten ihrer Vorsitzenden derartig reduziert sind, dass sie auf deren niederste, billigste Form, dem gezielten Abwerten von Minderheiten zurückgreifen muss, um das Profil ihrer Partei zu schärfen).

Man kann erst gegen den Mindestlohn sein und dann dafür. Weil man für diese Position gewählt werden will. Oder mit bestimmten Parteien koalitionsfähig werden oder bleiben will. Oder weil man sich davon überzeugen konnte, dass die zunächst angenommenen negativen Auswirkungen doch geringer sind als die Vorteile.

Aber Trump-Karrenbauers Position zur Ehe für alle verbietet sich eine solche Neubewertung, wenn sie sich nicht komplett lächerlich machen will. Nur zur Erinnerung: Sie hat die Gleichstellung Homosexueller als Gefahr für die Zukunft der Gesellschaft erklärt. Ihr entscheidendes Argument gegen die Ehe für alle ist nicht ihr christlicher Glaube, nicht (wie bei Merkel) eine Wertvorstellung, nach der die Ehe auf Mann und Frau beschränkt sein sollte. Nein, Trump-Karrenbauer geht in ihrer Argumentation einen ganz entscheidenden Schritt weiter.

Wörtlich meinte sie, man müsse hinsichtlich der Ehe für alle im Blick behalten,

„dass das Fundament unseres gesellschaftlichen Zusammenhalts dadurch nicht schleichend erodiert.“

So einen Satz, erst recht, wenn man ihn zwei Jahre lang immer wieder verteidigt hat, kann man nicht mal eben abräumen, mit: Oops, war doch nicht so gemeint. Hinter einem solchen Satz steht ein Welt- und Gesellschaftsbild, ein total irres Welt- und Gesellschaftsbild natürlich, das davon zeugt, nicht im Ansatz verstanden zu haben, wie Gesellschaft, wie Zusammenhalt, wie gesellschaftlicher Zusammenhalt funktioniert. (Mehr dazu hier: „Der völkische Wahn der Annegret Kramp-Karrenbauer“)

Trump-Karrenbauer fordert in diesem Zusammenhang gerne Respekt für ihre Überzeugungen ein, so, als ob ihr irgendjemand verbieten wollen würde, Unsinn zu glauben. Natürlich darf sie Unsinn glauben. Jeder darf glauben, was er will. Die meisten von uns glauben an Dinge, die von den allermeisten Menschen nüchtern betrachtet als absurd angesehen werden. Die Gedanken, die Meinungen sind frei. Jeder darf post-faktisch denken, ja, sogar an Verschwörungstheorien glauben und daran, dass die Juden oder die Homos durch zu viel Rechte das Wohl der Gesellschaft gefährden.

Aber dürfen wir auch zulassen, dass Politiker ihre Entscheidungen und Positionen postfaktisch begründen? Auch das. Aber wählen dürfen wir sie dafür auf gar keinen Fall. (Mehr dazu hier: „Alternative Fakten und Verschwörungsfimmel: Die Geburt der Annegret Trump-Karrenbauer„)

Und was, wenn nun Trump-Karrenbauer jetzt am Donnerstag doch glaubhaft machen will, dass sich auf einmal ihre innersten Überzeugungen in den letzten zwei Jahren fundamental gewandelt haben? Dass die Homos also nun auf einmal doch keine Gefahr sind, dass sie sich das alles nur eingebildet hat?

Nun, in dem Fall sollte Ole von Beust seine Parteichefin in den Arm nehmen, sie ganz fest drücken. Bei jedem, der glaubhaft erklärt, nun kein Rassist, kein Antisemit, kein Homophobiker mehr sein zu wollen, sollten wir das tun. Und trotzdem: Ich würde von Ole van Beust erwarten, dass er weiter nachfragt, sich genau erklären lässt, wie sich Trump-Karrenbauer (die man in diesem Fall ruhig wieder Kramp-Karrenbauer nennen sollte) das denn so vorgestellt hat, mit der Gesellschaft, die durch die Ehe für alle aus den Fugen zu geraten droht:

Wie genau hätte diese Zersetzung geschehen sollen? Also, konkret: Welche Kräfte führen über die „Homoehe“ zur befürchteten Zerbröselung der Gesellschaft? Wie soll / sollte das ganze ihrer Meinung nach vonstattengehen? Verschwörerisch? Volkspsychologisch? Esoterisch? Mit offener Gewalt durch die Homolobby? Mithilfe von Chemtrails? Aliens?

Ja, all dies klingt verrückt. Doch die CDU-Parteivorsitzende wirklich ernst zu nehmen, bedeutet, ihr Verantwortung für ihre eigenen Worte zuzutrauen, heißt konkret nachzufragen, sie nicht damit durchkommen lassen, dass dies eben ihre Überzeugung sei, oder gewesen sei. Sondern wissen zu wollen, worauf diese Überzeugung fußen, von welchen Erkenntnissen sie da getrieben ist.

Es gibt eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Sie meint (bzw. meinte) das wirklich Ernst, und dann muss sie endlich erklären, was es damit auf sich hat und von welchen gesellschaftlichen Zersetzungsprozessen sie da spricht. Schließlich geht es ja nach ihrer Aussage um nichts weniger als den Fortbestand unserer Gesellschaft! Oder es war doch nicht so ernst gemeint, einfach mal so dahergeredet, einfach mal so einer Minderheit vor den Bus geworfen.

Das zu klären sollte nicht nur Homosexuelle interessieren, denn es geht ganz grundsätzlich darum, wie ernst man die Vorsitzende der größten Regierungspartei und mögliche Kanzlerkandidatin überhaupt nehmen kann.

Andererseits: So oder so soll Trump-Karrenbauer und die von ihr geprägte CDU in Zukunft keine Rolle mehr spielen. Und zwar gemäß ihrer eigene Aussagen! In einem Beitrag für die FAZ forderte sie für ihre Partei:

„…keine Zusammenarbeit mit Parteien, die ausgrenzen, spalten, mit ihrer Sprache und Haltung das gesellschaftliche Klima vergiften und Rassismus und Ressentiments schüren.“

Die Parteivorsitzende verbietet sich ihrer Partei also eine Zusammenarbeit mit sich selbst. Wenn das mal keine gute Nachricht ist. ♦

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Alle Beiträge über Kramp (Trump)- Karrenbauer hier im Überblick.

Hinweis: Der Titel dieses Blogbeitrages wurde geändert. Ursprünglich lautete er „Warum Annegret Trump-Karrenbauer nie Kanzlerin dieses Landes werden darf.“