Am Ende des Abends gibt es eigentlich nur noch eine Frage: Wer war schlimmer? AKK, weil sie es auch in einem für sie extrem gewogenen Rahmen nicht schafft, eine einzige ihrer homophoben Positionen zurückzunehmen, ja diese sogar noch verstärkt, ohne natürlich Verantwortung dafür zu übernehmen?
Oder der Moderator Reinhold Beckmann, der hätte eigentlich zur Aufklärung beitragen sollen, aber genau das Gegenteil tut, sie nicht nur mit allem durchkommen lässt, sondern sie auch noch in ihrer Legendenbildung unterstützt?
Ja, es gibt auch zwei positive Dinge vom gestrigen mit Spannung erwarteten Empfang der LSU im Konrad Adenauer Haus zu vermelden. Erstens spricht sich Annegret Kramp Karrenbauer dafür aus, dass die LSU („Lesben und Schwulen in der Union“) zu einer offiziellen Parteigruppierung wird. Und zweitens sagt die Verteidigungsministerin Annegret Kramp Karrenbauer, dass sie die von ihrer Vorgängerin eingeschlagene Wertschätzung für LGBTI in der Bundeswehr nicht rückgängig machen möchte.
Doch das war es dann auch schon.
Gleich am Anfang wird etwa das Thema Karnevalswitz abgeräumt. AKK erzählte dazu, was sie immer erzählt, sie sei falsch verstanden worden, in ihrem Witz ging es gar nicht um Intersexuelle sondern um Machos.
Beckmann daraufhin:
Es ging also darum, wer ist wehleidiger, Mann oder Frau, die Grundfrage ganz klar : die Männer, oder am meisten noch die Machos.
Doch Beckmann meint das nicht als Frage, sondern als Feststellung. Als Absolution. All das andere ist da nur reininterpretiert worden. Arme AKK.
Wäre dies nur eine halbwegs seriöse Veranstaltung gewesen, hätte die Diskussion an dieser Stelle natürlich hier erst losgehen müssen. Denn wenn sich AKK damals so falsch verstanden gefühlt hatte, warum hat sie damals nicht klargestellt? Wenn sie wirklich hätte niemanden verletzen wollen, warum hat sie das, was von so vielen als Verletzung empfunden haben, nicht einfach abgeräumt? Nein, sie hatte es so stehen lassen, bis die Wut auf die wehleidigen Minderheiten ihren Siedepunkt erreichte. Es ist schlichtweg falsch, wenn AKK behauptet, das Minderheiten-Bashing sei nur von ihren Gegnern so hineininterpretiert worden, denn selbst die sie unterstützende BILD und Parteifreundinnen wie Julia Klöckner hatten das damals so verstanden, sie dafür verteidigt, dass auch solche Witze gegen Minderheiten möglich sein müssten. (Damals im Nollendorfblog: „Sie zündelt, wartet ab, bis es richtig brennt und beschwert sich dann über den Brandgeruch.“) AKK lügt also und Reinhold Beckmann, der es nicht besser weiß, oder nicht besser wissen will, assistiert ihr dabei.
Doch Beckmann ist egal. AKK ist nicht egal, sie ist die Vorsitzende der größten Regierungspartei. Sie könnte die nächste Kanzlerin dieses Landes werden. Und da ist es eben nicht egal, dass sie an einem solchen Abend, der ja dafür da sein soll, die Dinge endlich mal zu klären, die alles entscheidende Frage nicht gestellt bekommt: Wie sie es sich denn erklärt dass durch die Ehe für alle der gesellschaftliche Zusammenhang auf dem Spiel steht.
Natürlich ist es grotesk, dass Beckmann nicht danach fragt. (Dass er das entsprechende Zitat nicht kennt, ist ausgeschlossen, denn er selbst sagt am Anfang der Veranstaltung, dass er am Vortag den Beitrag im Nollendorfblog hierzu gelesen habe. Man stelle sich vor, eine solche These sei von einer AfD-Politikerin, einem AfD-Politiker gefallen, hätte Beckmann diesen auch den Gefallen gemacht, da so einfach drüber hinwegzugehen?)
Aber noch grotesker ist es, dass es AKK selbst in einem solchen Rahmen offensichtlich nicht wichtig ist, eine Aussage zu relativieren, die gleiche Rechte für eine Minderheit als Gefahr für das Gemeinwesen stilisiert. Nein, AKK möchte ihre reaktionären homophoben Positionen nicht zurücknehmen, sie möchte, dass ihre reaktionären homophoben Positionen nicht länger als reaktionäre homophobe Positionen angesehen werden. Sie verschiebt damit das Sagbare über Homosexuelle nach rechts. Unglaublich, dass ihr ein öffentlich-rechtlicher Moderator das so einfach durchwinkt.
Der LSU-Vorsitzende Alexander Vogt hatte am Beginn der Veranstaltung angekündigt, dass man nicht zurückschauen wolle, sondern in die Zukunft schauen. Vorab hatte er in einem Interview gesagt, es könne nicht darum gehen, den Status quo verteidigen zu wollen, sondern es ginge darum
klare Zeichen zu setzen, dass wir eine starke und wehrhafte Demokratie sind, die Minderheitenschutz als eine Selbstverständlichkeit begreift und diesen weiter fördert und voranbringt“.
Das Tragische ist, dass genau das nicht passierte. Sondern das Gegenteil. So blöde es auch war, einen Moderator zu haben, den das Thema entweder nicht interessiert und/oder so wenig im Thema ist, dass er die dazu notwendigen Fragen alle nicht stellt: Also: Was ist mit dem Transsexuellengesetz? Was ist mit dem Schutz sexueller Minderheiten im Artikel 3 des Grundgesetzes? Wie steht AKK zu einem nationalen Aktionsplan gegen Homo- und Transphobie? Wird sie die Ehe für alle gegen die AfD verteidigen? Ja, fällt AKK überhaupt irgendetwas ein, was sie im Sinne der Veranstaltung, im Sinne des Minderheitenschutzes zu tun gedenkt?Aber die Parteivorsitzende hätte natürlich auch ohne diese Fragen etwas dazu sagen müssen. Noch mal: Aus dem von der LSU eingeforderte Zeichen,
dass dass wir eine starke und wehrhafte Demokratie sind, die Minderheitenschutz als eine Selbstverständlichkeit begreift und diesen weiter fördert und voranbringt.
wurde ein überdeutliches Zeichen, dass die Vorsitzende der CDU dazu nichts zu sagen hat, nichts sagen will.
Der freundliche Applaus hierfür, den es von den allermeisten der anwesenden (zu über 90 Prozent männlichen) LSU-VertreterInnen gegeben hat, wird der Organisation noch auf die Füsse fallen. ♦
UPDATE / weiterer Beitrag zum Thema: dpa verbreitet irreführende Meldung zum AKK-Auftritt
Hier gibt es einen Überblick über alle AKK-Beiträge in diesem Blog, u.a. über ihre völkische Begründung der Ehe-für-alle-Ablehnung, ihren offensichtlich noch immer anhaltenden Ekel zur Ehe-Entscheidung, die populistische Instrumetalisierung ihres Karnevalwitzes.
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