Queere ZDF-Fernsehrätin* Renner aus Thüringen zur Ministerpräsidenten-Wahl in Erfurt: Es macht mich wütend!

Ausgerechnet in Thüringen, dessen AfD-Chef man einen Faschisten nennen darf,  haben heute CDU und AfD zusammen einen FDP-Politiker zum Ministerpräsidenten gewählt. Eine politische Sensation, womöglich ein Dammbruch mit unvorhersehbaren Folgen. Luca Renner ist für den LSVD das einzige offen queere Mitglied im ZDF-Fernsehrat und somit eine der wichtigsten Community-Vertreter*innen in den deutschen Medien. Entsendet wurde sie durch das Land Thüringen. Im Nollendorfblog-Interview äußert sie sich über die möglichen Folgen der Ministerpräsidenten-Wahl aus queerer Sicht:

Wie ist die Situation von LGBTIQ in Thüringen?

Die politische Situation hat sich durch die letzte Landesregierung für LGBTTIQ stark verbessert. Es wurde ein Landesprogramm für Akzeptanz in Zusammenarbeit mit den Verbänden erarbeitet und ins Leben gerufen. Fakt ist aber auch, dass aufgrund des erstarkenden Rechtsextremismus, begleitet durch Rechtsextremisten im Parlament, ein sehr unsicheres Klima für LGBTTIQ herrscht. Homo- und Transphobie sind gerade im ländlichen Raum an der Tagesordnung. Wer offen geoutet leben möchte, wird kritisch angeschaut, beschimpft oder gar geschlagen. Eine wirkliche Akzeptanz gibt es selten. Wer kann, zieht weg. Die Wenigen, die vor Ort sind, kämpfen gegen Windmühlen.

ZDF-Fernsehrätin* Luca Renner

Wie sich die Lage für LGBTTIQ* in Thüringen weiter entwickelt, bleibt abzuwarten. Mit Blick auf die Wahlprüfsteine und die Antworten der Parteien wäre eine weitere gute Entwicklung für LGBTTIQ* unter Rot-Rot.Grün mit Sicherheit einfacher gewesen. Und spannend auch; trotz dessen, dass die FDP sich klar von einer Zusammenarbeit mit homo- und transphoben Parteien distanziert hat, hat sich Herr Kemmerich von der AFD nun mit wählen lassen. UNd die CDU hat mitgemacht. Das ist ein politischer Dammbruch und unverantwortlich.

Was befürchtest für die Community durch diese Wahl?

Wie sich die Lage für LGBTTIQ* in Thüringen weiter entwickelt, bleibt abzuwarten. Mit Blick auf die Wahlprüfsteine und die Antworten der Parteien, wäre eine weitere gute Entwicklung für LGBTTIQ* unter Rot Rot Grün mit Sicherheit einfacher gewesen. Und spannend auch; trotz dessen, dass die FDP sich klar von einer Zusammenarbeit mit homo- und transphoben Parteien distanziert hat, hat sich Herr Kemmerich von der AFD nun mit wählen lassen. Und die CDU hat mitgemacht. Das ist ein politischer Dammbruch und unverantwortlich.

Ob und wie das Landesprogramm für Akzeptanz und Vielfalt weiterentwickelt und weiter finanziert wird, bleibt abzuwarten. Ich befürchte aber mindestens einen Stillstand.

Macht Dir die Entwicklung keine Angst?

Ich habe keine Angst vor den Rechten! Es macht mich wütend miterleben zu müssen, wie demokratische Parteien die Zusammenarbeit mit den Rechtsextremisten in Kauf nehmen, um an die Macht zu kommen. Denn das ist das Gift jeder Demokratie und ein klares Türöffnen für homo- und transphobe Akteure. Wer mit Rechtsextremen paktiert, opfert dafür auch Minderheitenrechte, ja eigentlich langfristig Menschenrechte

 Was bedeutet die neue Situation für Deine Funktion im Fernsehrat?

Auf mein Fernsehratsmandat hat die Wahl der neuen Landesregierung bis zum Ende des Mandates nun keine Auswirkungen, da der Landtag 2016 den LSVD als Vertretung gewählt hat und der LSVD mich benannt hat. Die neue Landesregierung kann mich also folglich nicht absetzen. Auch das Thema LGBTTIQ* ist weiterhin für das Land Thüringen im Staatsvertrag verankert und wir werden uns als LSVD Thüringen auch wieder für dieses Mandat beim Landtag bewerben.

Wie sollte sich die Community zu FDP und CDU in Land und Bund verhalten?

Im Land muss grundsätzlich stark kritisiert werden, dass ein neuer Ministerpräsident sich mit den Stimmen der Rechtsextremen hat wählen lassen. Unabhängig davon muss nun mehr als deutlich gemacht werden, dass jetzt erst Recht ein Auge darauf geworfen wird, wie die neue Landesregierung mit Minderheitenrechten umgeht und auch den in der Thüringer Verfassung verankerten Schutz von LSBTTIQ* gewährleistet.

Was das Verhalten im Bund angeht, ist klar: Es braucht nun noch dringender einen Aktionsplan auf Bundesebene gegen Homo- und Transphobie. Dieser muss nun mit noch größerer Vehemenz eingefordert werden. Ich setze da ganz stark auf die Unterstützung von LINKEn, Grünen und SPD. Wenn der Druck in den Parlamenten nicht ausreicht, müssen wir Druck über die Straße machen. Und dies nicht mehr mit Sonntagsreden, sondern mit strategisch durchdachtem Aktionismus


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