Der Dialog

Heute abend soll in der Kulturbrauerei ein Konzert von Sizzla stattfinden, ein Künstler, der so offen zur Gewalt gegen Schwule aufruft, dass in den letzten Monaten gleich zwei Alben von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indiziert wurden.

„Die Interpreten rufen dazu auf, homosexuelle Menschen zu töten, sie abzufackeln, zu verbrennen und sie mit Schwefel zu übergießen“

 

hieß es in der Begründung.

Für 18.30 Uhr ist eine Demonstration gegen das Konzert geplant, die zum Veranstaltungsort, dem Kesselhaus, führen soll.

In diesem Blog geht es nicht darum, Menschen, die sagen, dass sie Schwule hassen, zu sagen, dass das doof ist.

In diesem Blog geht es um die Menschen, die sagen, sie würden keine Schwulen hassen ( ja, dass sie sogar „gar nichts gegen sie“ haben) , aber alles oder zumindest vieles dafür tun, dass dies weiter geschieht.
Warum auch immer.

Im Fall des Kesselhauses, also des Veranstalters, bin ich mir wirklich nicht sicher. Man möchte auf Dummheit hoffen, vielleicht ist es Gleichgültigkeit. Auf jeden Fall ist es dreist.

Das Kesselhaus rechtfertigt den Auftritt mit einer schriftlichen Erklärung, die tatsächlich die Überschrift „Dialog fortführen“ trägt und es somit schafft, Gewalt und ihre Androhung als Meinungsaustausch zu definieren.

Der der mich totschlagen will, formuliert nach dieser euphemistischen Lesart nicht eine Strafttat, sondern eine These. Und die Tatsache, dass ich gerne nicht totgeschlagen werden möchte, ist auch nur eine These, eine die ich gerne in diesen Dialog einbrigen darf. Danke liebes Kessehaus! Und selbst wenn man mal für ein paar Minuten tatsächlich den Gedanken zuläßt, dass man über Morddrohungen diskutieren sollte, wie bitte soll diese Diskussion aussehen?

Nein, dies ist leider keine theoretische Frage, das Kesselhaus meint es ernst:

 

Die homophobe Haltung des Künstlers hat seine Ursache in den gesellschaftlichen und kulturellen Zusammenhängen, in denen der Künstler lebt. Diese müssen nachhaltig geändert werden. Die eigenen Erfolge unserer Kultur – Abschaffung des Gesetzes gegen Homosexualität in Deutschland – könnten und sollten dabei Motor sein.

 

Hallo??? Wir reden hier nicht von einem Stammtischbruder, der sich über die warmen Brüder das Maul zerreisst, die Strassenseite wechselt oder die Diskussionsforen von WELT-Online zumüllt. Wir reden über jemand, der in seinen Reden und Liedern zu Gewalt aufruft.
Dass er diese Reden und Lieder nicht zurückgenommen hat, finden die Veranstalter vom Kesselhaus nicht schlimm. Ihnen reicht es, dass sie am Konzertabend nicht wiederholt werden sollen.

Ja, ich würde gerne über „gesellschaftliche und kulturellen Zusammenhänge“ diskutieren und dazu beitragen sie zu ändern. Aber, dass ich Schwul bin und deswegen weder bedroht noch gedemütigt werden möchte, ist etwas, über das ich nicht verhandeln möchte und etwas, von dem ich auch nicht möchte, dass jemand anderes darüber verhandelt.

Für einen Dialog braucht man eine Haltung. Falls das Kesselhauses eine hat, ist sie unter aller Sau. Oder, um es mit den Worten des Kesselhauses zu sagen:

 

Um den Dialog fortzuführen und um den Prozess weiter voran zu treiben, werden wir das Konzert bis auf Weiteres nicht absagen.

 

Nachtrag:
Soeben wurde das Konzert abgesagt

4 Gedanken zu „Der Dialog

  1. Ich würde ja gerne sagen: „Netter Versuch des Kesselhauses, sich aus der Verantwortung zu stehlen, indem es anführt, Sizzla würde die homophoben Lieder nicht wiederholen“.
    Ist aber kein netter Versuch, sondern ein lausiger. Erstens, weil er Hasslieder trotz Unterzeichnung einer Verpflichtung weiterhin aufgeführt hat, und zweitens weil er nichts an seiner öffentlichen Haltung geändert hat.
    Ich hoffe das Kesselhaus wird es zu spüren bekommen. Mich sehen die da für den Rest meines Lebens nicht mehr.

  2. Wow, das Kesselhaus hat das Konzert abgesagt. Das find ich sehr lobenswert. Super, Jungs und Mädels. Und meine Boykottliste ist heute doch nicht länger geworden…

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