Mein Problem mit dem diesjährigen Berliner CSD-Motto

„Mehr von uns – Jede Stimme gegen Rechts“ ist das Motto des diesjährigen Berliner CSDs und daran ist zunächst einmal nichts falsch. Der Kampf gegen Rechtspopulismus ist einer unserer wichtigsten Herausforderungen. Andererseits droht diese Formel zum Bumerang zu werden, wenn das bloße Bekenntnis, „gegen Rechts“ zu sein, als Rechtfertigung für Positionen dient, die wir eigentlich mit dem Widerspruch gegen Rechts bekämpfen wollen.

Nein, Nina Queer ist nicht das Rassismusproblem unserer Community, da gibt es wirklich viel Schlimmeres. Aber wenn wir es nicht einmal schaffen zu benennen, was an ihren Äußerungen und Erklärungsversuchen problematisch ist, dann brauchen wir auch nicht so zu tun, als ob wir ersthaft daran interessiert sind, uns gegen Rassismus zu engagieren.

Man kann gerade im Internet nachlesen, wie viele der Logik von Nina Queer folgen, nachdem der, der sich politisch nicht für rechts hält, auch nicht rassistisch sein kann. Lesben und (meiner Beobachtung vor allem Schwule), die als Nachweis dafür, nicht rassistisch zu sein, auf die Teilnahme am Berliner CSD die Unterstützung seines  Mottos verweisen und denken, damit irgendetwas argumentiert zu haben.

Doch damit ist gar nichts argumentiert. Im Gegenteil: Das CSD-Motto wird so zur Camouflage. Die Community läuft Gefahr, sich in einer eitlen Selbstbehauptung zu gefallen, die sich zu einer falschen, einer fatalen Selbsttäuschung manifestiert.

Stattdessen sollten wir auf uns selbst schauen und wirklich darüber zu reden, wie wir alle auch in rassistischen Denkstrukturen gefangen sind. Da wir aus einer strukturell rassistischen Gesellschaft kommen ist keine, ist keiner von uns frei davon.

Ich hoffe, dass die MacherInnen des Berliner CSDs diese Kurve noch kriegen, bisher vermisse ich da konstruktive Impulse. Aber ich lasse mich gerne überraschen.

Ich gebe Stephanie Kuhnen recht, die in ihrem Siegessäule-Artikel „Warum sich Lesben von der AfD gesehen und verstanden fühlen“ beschreibt, was auch für viele Schwule gilt:

Mit einer bloßen Parole wie „Bunt gegen Braun“ kann das Problem des Rechtsruckes auch bei Lesben nicht gebannt werden. Das hat sich in den letzten Jahren als kontraproduktiv erwiesen. Hier haben Lesben, Schwule und trans* Personen die Community als Wahlheimat akzeptierender Vielfalt aufgegeben und das Vertrauen verloren. Ihre Dämonisierung oder Verspottung bestätigt sie nur in ihrer Entscheidung. Um sich selbstkritisch mit den Ursachen zu beschäftigen, muss man keinen AfD-Stand bei den Straßenfesten zulassen oder sich mit dieser Partei beschäftigen.

Machen wir uns nichts vor: Rassismus ist ein Riesenprobem in unserer Community und dieser Berliner CSD ist eine große Chance, mehr darüber zu reden, mehr darüber zu lernen.

Ich bin deshalb sehr froh, dass sich viele Gruppen unter unterschiedlichen Blickwinkeln damit auseinandersetzen.

Eine dieser Gruppen wird  unter dem Motto „Showing Up For Racial Justice / More Color, More Pride !“  die die sogenannte Philly-Pride-Flagge nach Berlin bringen („Ihre zwei zusätzlichen Streifen, schwarz und braun, stehen für die Anerkennung und Inklusion Schwarzer und Brauner LSBTTIQ+, ihre Leistungen und ihre Beiträge zu unserer Bewegung“.)

In einem Blogbeitrag habe ich vor ein paar Wochen geschrieben, warum  ich nicht denke, dass wir eine neue Regenbogenfahne brauchen. Trotzdem ist es gut, dass es diese Fahne gibt, weil ich hoffe, dass sie nicht nur dazu dient, ein Zeichen zu setzen. Sondern auch dazu, ins Gespräch zu kommen, „mehr von uns“ zu erfahren.

Ich werde dieses Jahr bei „Showing Up For Racial Justice / More Color, More Pride !“ mitlaufen.

Wenn Ihr noch nichts anderes vorhabt, kommt doch einfach mit!*

So oder so:

Happy Pride! ♦

*Samstag um 12:00 / Kurfürstendamm Ecke Joachimsthaler

Vorschaubild: (c) Berliner CSD e.V.

Diesen Beitrag auf Facebook liken / teilen

3 Gedanken zu „Mein Problem mit dem diesjährigen Berliner CSD-Motto

  1. Hm, kannst Du denn mal konkret benennen, woher Dein Eindruck von Rassismus in der Community kommt? Ist es nicht vielmehr so, dass die ganze Gesellschaft (nicht nur Schwule und Lesben) in einer Flut von „Rassismus!“ und „Homophobie!“ Geschrei ersäuft, weil es allzu vielen Leuten allzu wohl tut, mindestens zehn Male am Tag jemandem diese Wörter hinterher oder entgegen zu plärren? Bin ich z.B. Rassist, weil ich die Farben unserer Todfeinde, das Schwarz der katholischen Kirche und das Braun der Nazis, nicht schwenken will und zutreffend darauf hinweise, dass der Regenbogen für Freiheit und Vielfalt in allererster Linie von Schwulen uns Lesben, von transidentischen und zwischengeschlechtlichen Menschen steht und nicht das Geringste mit „Rassen“ zu tun hat? Der Regenbogen, das sind unsere Farben, nicht weiß, nicht schwarz, nicht gelb, nicht rot, nicht braun. Er steht für schwarze Lesben und braune Schwule genauso wie für weiße und gelbe und rote. Lassen wir unsere Community doch nicht von innen heraus in „Rassen“ aufspalten – das wäre Rassismus! Beim CSD in München trat eine Gruppe ugandischer Lesben auf, die auf der Bühne tanzten. Das sind Lesben, nicht schwarze Lesben, einfach Lesben! Ich habe mich noch nie über meine Hautfarbe definiert, weder allgemein als Mensch noch speziell als Schwuler. Ich fang doch jetzt nicht damit an, Schwule oder Lesben auf einmal nach Hautfarbe zu sortieren und dann Rassismus zu beklagen, der doch durch solche Schubladisierung herbeigeredet wird.

  2. Mit antiklerikalen Slogans hat noch keiner Probleme gehabt!? Sexuelle Minderheiten wachsen unter Mehrheiten auf, bringen davon vieles mit und müssen genau gleich = (!) therapiert werden wie diese – und nicht in Sondertherapien!!! Homosexualität bietet die „Schangse“ 😉 es nicht so dumm wie andere zu machen, aber sie ist keine Bedingung! Amen

  3. „Rassismus ist ein Riesenprobem in unserer Community und dieser Berliner CSD ist eine große Chance, mehr darüber zu reden, mehr darüber zu lernen.“

    Das Gegenteil ist der Fall und ich stimme dem Nolldendorfblogbetreibern hier nicht zu. Einsatz gegen Rassismus ist löblich, das ist keine Frage. Aber Einsatz gegen Rassismus darf nicht dazu dienen, Fakten in unserer Gesellschaft zu tabuisieren, und insbesondere die Opfer homophober und antisemitischer Straftaten ein zweites Mal zu Opfern zu machen und Ihnen keine Stimme zu geben. Genaus das aber machen leider links-grüne Ideologen, Autoren und Blogger in unserer Gesellschaft. Sie erwecken den Anschein,dass homophob und antisemitische Straftaten vornehmlich von rechtsradikalen Vollidioten ausgehen in Deutschland. Das ist aber schlichtweg nicht wahr. Der Hauptanteil der homophob und antisemitischen Straftaten geschieht zum einem nicht auf dem Lande und in den Klein- und Mittelstädten Deutschlands, sondern geschieht in den deutschen Großstädten. Zum anderen gehen homophob und antisemitisch motivierte Straftaten in den Großstädten vorrangig auf das „Konto“ von Straftätern, die aus Osteuropa sowie aus Nordafrika/Naher Osten stammen und einen islamischen Kulturhintergrund haben. Ich empfinde es sehr schlimm, dass links-grüne Autoren, Blogger und Journalisten dies durch Rassismusvorwürfe zu tabuisieren versuchen und dadurch den Opfern homophober und antisemitischer Straftaten „in den Rücken fallen“ und erneut zu Opfern machen.

Hinterlasse einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.