75. von Praunheim-Geburtstag: Wir brauchen Rosa. Wir brauchen den Rosa in uns!

Rosa von Praunheim hat zusammen mit Martin Dannecker die moderne deutsche Homosexuellenbewegung losgetreten. Dafür gebührt ihm ewiger Dank. Doch Rosa zu seinem 75. Geburtstag vor allem für das zu preisen, was aus heutiger Sicht unstrittig richtig und wichtig war, wird ihm nicht gerecht.

Der schrille „Paradiesvogel“, den vor allem mainstreamige Medien gerade aus ihm machen, ist eine Verniedlichung, eine Verharmlosung, die nicht so harmlos ist, wie sie scheint. Auch wenn es ihm zu gönnen ist, dass ihm heute da Liebe zufällt, wo es früher Ekel war, dass das, was früher Provokation war, heute keine mehr ist, so ist es doch gerade in der Stunde des Feierns so wichtig hervorzuheben, warum es einen Rosa von Praunheim gebraucht hat. Und immer noch braucht.

Die Gesellschaft ist auch heute noch von Homosexuellenfeindlichkeit durchtränkt. Und so sehr das Umarmen, das Abfeiern homosexueller Ikonen durch die „Mitte der Gesellschaft“ ein vor Jahren noch undenkbarer Erfolg bedeutet (und man nicht genug darauf hinweisen, kann, dass die Gesellschaft nicht nur eine bessere, sondern eine andere geworden ist!), so sehr ist der Fortschritt auch einer, der auf dem Rücken eines Rückschritts geschieht. Denn das, was da gefeiert und umarmt wird, ist nicht nur Differenz, sondern auch gewünschte Anpassung:

Die rechtliche Gleichstellung wurde immer wieder, und weitgehend unwidersprochen damit begründet, dass Homosexuelle „bürgerliche“ Werte lebten. Ein Großteil des Wohlwollens ist der Wille nach homosexueller  Unauffälligkeit. Frank Plasberg, begründete seine aktuelle Zustimmung für die Ehe für alle damit, dass es ja dann keine Homo-Weihnachtsmärkte geben müsse. Doch er meinte damit nicht die Homo-Spießigkeit solcher Events. Worauf er sich bezog: In einer Sendung zu „Homo-Ehe“ hatte er 2012 einen auf einem lesbisch-schwulen Weihnachtsmarkt einen Adventskalender mit halbnackten Männermodels abfilmen lassen um dann gegen die „Homoehe“ mit dem Argument zu wettern, warum eigentlich jemand gleiche Rechte will, der „sonst so viel Wert aufs Anderssein legt“. (Mehr dazu hatte ich damals hier aufgeschrieben). Es ist davon auszugehen, dass diese Logik breite Zustimmung in der Bevölkerung findet, dass die „Gewährung“ gleicher Rechte mit der Erwartung verbunden ist, dass Homosexuelle jetzt doch bitte etwas weniger homosexueller sein mögen.

Rosa von Praunheim war immer skeptisch, was die Ehe für alle betraf, und ist es heute noch. Ich teile seine Ablehnung nicht, doch finde ich jetzt, wo die rechtliche Gleichstellung Realität geworden ist, seine Argumente um so wichtiger: Es muss weiter darum gehen, sich eine andere Gesellschaft vorzustellen, und für andere, eigene Formen des Zusammenlebens zu kämpfen. Schwule und Lesben dürfen spießig sein. Aber gegen die Erwartung, dass sie es sein sollen,  müssen wir jetzt mehr denn je angehen.

Und vielleicht ist das ja auch dem langen Kampf für die Ehe für alle und dem Wunsch nach gesellschaftlicher Anerkennung geschuldet: Wenn man sich die Aktivistenszene heute anschaut, fällt auf, wie wenige Protagonist*innen heute bereit sind anzuecken und dabei nicht nur die Zuneigung der Heteros sondern auch der eigenen Community aufs Spiel zu setzen. Egal, wie man Rosas Outing von Hape Kerkeling und Alfred Biolek heute bewerten möchte, egal, ob man es richtig findet oder falsch: In einer Situation, in der nicht der Homosexuelle pervers ist, sondern die Gesellschaft, sind nicht die Homosexuellen Schuld, dass es nur richtig-falsche oder falsch-richtige Handlungsalternativen gibt. Gehandelt werden musste trotzdem.

Die Situation in Deutschland ist heute eine andere. Und trotzdem sind wir in Deutschland heute in einer ähnlichen Situation: Auch heute ist Nicht-Handeln keine Option, wenn es darum geht, die Homo- und Transsexuellenverfolgung um uns herum nicht hinnehmen zu wollen, auch heute sind deutlichere, unbequemere Aktionen gefragt, um den staatlich geförderten Hass gegen LGTBI* in der nächsten Nachbarschaft zu bekämpfen. Was machen wir eigentlich gerade zu Ägypten? Wie bereit sind wir, Fußball-Deutschland die gute Laune zu verderben, in dem wir klar machen, dass die kommende Fussballweltmeisterschaft auch eine gewaltige PR-Aktion mit dem Ziel ist, einem homophoben Regime ein freundliches, weltoffenes Gesicht zu verleihen?

Hierfür brauchen wir Rosa. Was wir aber vor allem brauchen ist der Rosa in uns!

(Foto: Von Queryzo – Eigenes Werk, CC-BY-SA 4.0,)

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Mehr zum Thema:

Nollendorfblogger Johannes Kram zu Rosa von Praunheims „Skandalouting“: „Damals war Homosexualität an sich schon ein Skandal. Es hat sich vieles entspannt und verbessert, aber die Skandalisierung findet auch heute statt, nur viel geschickter und teilweise auch gefährlicher.“

 zeit.de

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2 Gedanken zu „75. von Praunheim-Geburtstag: Wir brauchen Rosa. Wir brauchen den Rosa in uns!

  1. Vor einigen Tagen gab es ein Interview mit Rosa von Praunheim im TV. Was er sagte – dem konnte ich nur zustimmen. „Ja – Wir brauchen den Rosa in uns“.

    Weil es dem Einzelnen damit gut geht – Weil es der Gesellschaft und damit uns allen damit besser geht.

    gezeichnet
    alivenkickn – Hete

  2. Zu Rosa von Praunheims neuen Film zu Berlin-Neukölln und zu Ihrem aktuellen Buch, das auf der linken Queer besprochen wird, folgendes Statement von mir:

    Teilweise haben Sie als Autor Recht mit ihrer Kritik an linksliberalen Kräften/Personengruppe in Deutschland, das diese nicht aufgearbeitete „homosexuellenfeindliche Reflexe“ haben.

    Ich habe dies auch in dieser Personengruppe oftmals verspürt, wenn mir wieder ein linksliberaler Pädagoge, Jurist, Altenpflegerin, usw. freundlich Ende der 1990er/in den 2000er im lockeren Gespräche erzählte, das er/sie es gut finden würde, das nunmehr die Standesämter geöffnet würden und das ich mit meinem Mann endlich vom Staat anerkannt werde. Das wäre richtig so.

    Gleichzeitig kam aber fast immer von derselben Personengruppe dann der Halbsatz/Spruch oftmals hinterher, das mein Mann und ich aber keine Kinder erziehen/adoptieren sollten. Kinder sollten nur bei Vater und Mutter aufwachsen.“

    Dem habe ich dann immer erbost widersprochen, auf die vielen Scheidungskinder hingewiesen, die der Staat doch auch nicht der alleinerziehenden Mutter „wegnehmen würde, weil sie nicht bei Vater und Mutter aufwuchsen. Erörterte dann die Kinder, der Nachkriegszeit, die ohne Ihre Väter aufwuchsen, verwies auf die Kindergeschichte „Heidi“, die glücklich bei Ihrem Großvater aufwächst, dass die Adoption durch eine Einzelperson schon seit 1949 erlaubt ist, usw. und fast immer war danach „Ruhe im Saal“ im freundschaftlichen Gespräch.

    Danach kam es oftmals zum „Knacks“ mit den jeweiligen Personen, weil man doch hier fundamental verschieden dachte, und ich merkte, das dort doch „ein Rest Homophobie“ bei diesen linksliberalen Personen, die doch so freundschaftlich ansonsten mir gegenüber „taten“, bestand.

    Diese erlebte Situation könnte ich in bezug auf das Thema „Regenbogenfamilie“ und Kinderziehung durch Männerpaare sehr oft nennen: staatliche Paarerkennung war für diese Personengruppe okay, aber bloß keine Kindererziehung durch Männerpaare.

    ————————

    Zweitens das heute aber Homophobie teilweise wieder zunimmt, hat einen anderen Grund, den gerade Linke/Grüne/Liberale nicht hören, lesen und auch nicht drüber schreiben wollen und selbst so weit „geht“, das selbst langjährig engagierte LGBTI-Aktivisten wie Rosa von Praunheim in seinem neuen Film zu Berlin-Neukölln schlichtweg wegschauen und ignorieren oder es verharmlosen.

    Es ist die bestehende Homophobie im Islam, die im Nahen Osten mit Steinigung, hohen Haftstrafen und Todesstrafe belegt ist und damit einhergehend die arabische/iranische Bevölkerung, die entsprechend so durch die Moscheen des Nahen Ostens geprägt ist. Nunmehr erleben wir eine massive Einwanderung aus jenem Kulturkreis und weil gerade linke/grüne Aktivisten/Refugee Welcome Helfer diese Einwanderung aus humanitären Gründen sehr gut finden, was ich nachvollziehen kann, stecken genau dieselben Vertreter/Ideologen/Aktivisten in einem Dilemma, weil viele („nicht alle“) der ankommenden Muslima aus jener Region mit Vorstellungen kommen, die zutiefst homophob sind, mitunter der Gleichstellung der Frau in unserer Gesellschaft widersprechen und antisemitisch geprägt ist („aufgrund der Feindschaft Irans/Syriens zu Israel“), Dieser importierte Konflikt wirkt sich in den Großstädten wie Berlin, Köln oder Ruhrgebiet zunehmend aus, weil die Zuzugszahlen so hoch sind, das eine Veränderung der Haltungen der ankommenden Menschen überhaupt nicht so schnell machbar ist („das dauert Jahrzehnte, um dies aus den Köpfen herauszubekommen, wie man an der deutschen Gesellschaftsenwicklung sieht“),

    Zu allem Überfluss kommt noch hinzu, das es gerade dann auch noch grün/linke Aktivisten/Filmschaffende, Dokumentarfilmer/Lindenstraßenregisseure, usw. sind, die meinen, Sie müßten den Deutschen den Islam positiv vermitteln und dann wird halt ausgeblendet, was an den Moscheen des Nahen Ostens so gelehrt wird und wie die Haltung dort gegenüber homosexuellen Menschen in Wahrheit ist. Dies wiederum ist kontraproduktiv für den Abbau homophober Haltungen unter muslimischen Menschen, die sich dann wiederum „auf die Schulter klopfen“ und sagen, „hey schaut doch selbst die Lindenstraße, KIKA mit seiner Dokumentation, usw. sagen doch auch alle, der islam ist super. Was wollt ihr denn dann überhaupt ?“

    Fazit: Der Autor hat durchaus mit seinem Buch nicht Unrecht; aber er vergißt das Thema zur „Homophobie in der islamischen Migrantengruppe“ aufzuarbeiten. Aber vielleicht sieht er es auch so, aber das war nicht Thema seines Buches.

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