Aufruf: Mit Obama gegen Merkels böses Bauchgefühl!

„The world depends upon a democratic Europe that upholds the principles of pluralism and diversity and freedom that are our common creed.“

Barack Obama

Ein Aufruf

Es gab eine Zeit, in der war es nicht homophob, gegen die Gleichstellung der Ehe zu sein. In dieser Zeit war es auch für Homosexuelle schwer, sich als gleichwertige Mitglieder der Gesellschaft, sich als gleichwertig Liebende, sich als gleichwertige Eltern vorzustellen. Diese Zeit ist vorbei. Die Homosexuellen wissen, dass sie all dies sein können. Und die Heteros wissen das auch.

Wer heute gegen die Ehe für alle ist, ist dies gegen jedes rationale Wissen. Es gibt heute in Deutschland nur noch zwei Gründe, die Gleichstellung der Ehe zu behindern: Der erste ist ein emotionaler, das, was Merkel als „Bauchgefühl“ nennt, was suggeriert, es habe etwas mit gesundem Menschenverstand zu tun, in Wahrheit aber ein böses, ein zerstörerisches Gefühl ist. Man nennt es auch Ressentiment.

Der zweite Grund ist ein strategischer: Er steckt hinter dem Handeln von Menschen, die selbst nicht von Ressentiments getrieben sind, sich aber die Ressentiments der anderen zunutze machen.

Menschen, die anderen Menschen aufgrund von Ressentiments gleiche Rechte verweigern wollen, sind Täter. Sie tun anderen etwas an, weil sie deren Anderssein nicht als etwas mit ihnen gleichwertiges ertragen können. Aber sie sind auch Opfer. Opfer von Gewohnheiten, Strukturen und Ängsten. Opfer von Nicht-Wissen, von Nicht-Erfahrenem.

Menschen, die anderen Menschen aus strategischen Gründen gleiche Rechte verweigern wollen, sind nur Täter.

Sie wissen es besser. Sie können es besser.

Der Grund, warum sie nicht wollen, was sie können, liegt nur im Kampf um den eigenen Machtanspruch begründet. Ihre Opfer sind nicht nur die, denen sie verweigern, was Ihnen zusteht, sondern auch die, denen Sie einreden, dass ihre Ressentiments nicht Schwäche, sondern Stärke sind. Die von „Werten“ reden, davon, dass es darum ginge, etwas „bewahren“ zu müssen, statt das auszusprechen, was sie selbst wissen: Dass niemandem etwas weggenommen wird.

Aber ihre Täterschaft ist auch auf eine Weise infam, die Elemente bewusster Gewalt enthält: Eine vorhandene Diskriminierung wider besseres Wissen zu verfestigen, erzeugt unnötiges Leid. Leid bei jungen homosexuellen Menschen,  die in einer Gesellschaft ohne staatliche Diskriminierung nachgewiesenermaßen gesünder und sicherer aufwachsen könnten. Leid aber auch für den Zustand der Gesamtgesellschaft, der etwas genommen wird, das sie so dringend gebrauchen könnte: Das Erleben von Augenhöhe, den Unterschied von Toleranz und Respekt, das Überwinden von Paternalismus, einer Situation, in der die einen Bettelnde bleiben und die anderen Gönnende.

Um es mit Rosa von Praunheim zu sagen: Die Voraussetzung für das Überwinden einer gesellschaftlichen Perversion.

Wir dürfen nicht erlauben, dass das kleingeredet wird: Wer für das Bestehen der Perversion kämpft, macht sich auch schuldig im Kampf um Menschenrechte. Keine Regierung kann wirklich glaubwürdig und effektvoll gegen die Verfolgung von Homosexuellen eintreten, wie sie etwa gerade in Tschetschenien geschieht, wenn sie selbst nicht das überwindet, was diese Verfolgung im Kern verursacht: Die Behauptung von Ungleichwertigkeit.

Gerade weil es der Regierung nichts kosten würde, diese Ungleichwertigkeit zu überwinden, grenzt ihr Festhalten an unterlassener Hilfeleistung. Hilfe, die angesichts des weltweiten Hasses gegen Homosexuelle dringend benötigt wird.

Wolfgang Schäuble weiß ganz genau, dass der Verweis auf die „biblischen Zeiten“, mit der er das bestehende Unrecht und die daraus resultierende staatlich festgeschriebene Abwertung zu verteidigen versucht, eine Art Naturrecht beschwört, das auch die Sklaverei für den Großteil der Geschichte festgeschrieben hat. Er weiß, dass er und seine Partei dieses Unrecht beenden kann, und dass der einzige Grund, warum sie es nicht tut,  strategische Vorteile im Bundestagswahlkampf sind.

Dieses Verhalten ist zynisch. Es ist gefährlich und zutiefst unmoralisch. Es ist, wenn man so will,  auch zutiefst unchristlich. Religiöse Kategorien sollten in einem Wahlkampf keine Rolle spielen. Doch in diesem Wahlkampf ist das anders. Denn Merkel plant ihren größten Wahlkampf-Coup auf religiösem Terrain zu gewinnen:

Zusammen mit Barack Obama will sie anlässlich des Evangelischen Kirchentages vor dem Brandenburger Tor aufteten. Aller Voraussicht nach wird dies eine Demonstration mit gigantischer Wirkungsmacht sein, eine Wirkungsmacht, die Merkel für sich, ihre Partei und damit auch für die Rechtfertigung ihrer Diskriminierungspolitik nutzen wird.

Doch das muss nicht sein.

Denn dieser Auftritt vor dem Brandenburger Tor ist auch ein Geschenk. Ein Geschenk das Lesben, Schwule und alle, die in diesem Land für das Überwinden von Ressentiment stehen, nicht ablehnen können. Es ist die Möglichkeit, Merkel auf die denkbar eindrucksvollste Weise zu verdeutlichen, dass Diskrimierung nicht sein darf. Und sich nicht lohnt. Das Szenario vor dem Brandenburger Tor ist das Gegenteil zu dem in dem Fernsehstudio, in dem sich Merkel vor vier Jahren mit ihrem „Bauchgefühl“ einfach wegducken konnte: Da ist nicht nur die Evangelische Kirche, die – wenn sie das angekündigte Diskussionsthema („Engagiert Demokratie gestalten – Zuhause und in der Welt Verantwortung übernehmen“) wirklich ernst nimmt – nachfragen muss, warum sich Deutschland bei einem der großen Menschenrechtsthemen von der Werteentwicklung der westlichen Welt abkoppelt. Da ist vor allem Barack Obama, der bereits mehrmals in Deutschland (und sogar in Anwesenheit Merkels!) betont hat, dass es sich bei der Gleichstellung nicht um nachranginge Minderheitenrechte handelt, sondern um ein Grundprinzip, dass erst die Stärke freier Gesellschaften ermöglicht: Nur allen kann es gut gehen, wenn alle die gleiche Rechte haben.

Dieses engagierte Credo Obamas hatte in der deutschen Medienöffentlichkeit bei seinen Besuchen als Präsident fast keine Rolle gespielt, obwohl er es in den Mittelpunkt seiner Botschaften gestellt hatte.

Bisher konnte Merkel immer so tun, als sei sie in grundsätzlichen Freiheitsdingen mit Obama einer Meinung. Doch das ist nicht so. Obama kämpft für etwas Grundsätzliches, was Merkel grundsätzlich ablehnt.

Merkel wird über Verantwortung reden und darauf setzen, dass ihre Verantwortungslosigkeit keine Rolle spielen wird.

Wir sollten versuchen, dass sie damit nicht durchkommt.

Statt eines Wahlkampf-Coups zur Legitimierung von Ungleichheit könnte der  25. Mai zu einer Demonstration für Vielfalt werden, wie sie es in Deutschland noch nie gegeben hat:

Es könnte eine Demonstration werden, in der einmal nicht die Homos etwas von den Heteros fordern. Sondern eine in der, in der die Menschen, die in Deutschland Verantwortung übernehmen wollen, gemeinsam von ihrer Regierung fordern, dies endlich auch zu tun.

Eine bessere, symbolträchtige Gelegenheit wird es wohl so schnell nicht mehr geben. Und einen besseren Alliierten als Barack Obama auch nicht.

Wir sollten den Besuchern des Kirchentages verdeutlichen, dass sie es in der Hand haben, Merkel zu bewegen. Ihr zu widersprechen, wenn sie versucht, Diskriminierung  klein zu reden, wenn sie versucht, Ressentiments mit christlichen Werten zu verklären. Oder das Thema einfach auszusparen.

Bekommen wir eine solche Demonstration hin? Kann vielleicht dieser Tag der Tag sein, an dem wir, die Community, zusammen steht auf eine Weise, wie wir das bei der letzten Wahl nicht geschafft haben?

Bekommen wir das hin, alle zusammen?: LSVD, Enough is Enough? Die CSDs? Die Verbände, die Gruppen, die Institutionen?

Keine Ahnung. Aber können wir es uns erlauben, es nicht zu versuchen?

Merkel will über Verantwortung reden. Zeigen wir Ihr, was Ihre Verantwortung ist! ♦

Hier im Blog: Wie Barack Obama mit der „Ehe für alle“ die Grundprinzipien westlicher Freiheitswerte erklärt:

Die „Ehe für Alle“ wäre ein Geschenk der Gesamtgesellschaft an sich selbst

Weitere Beiträge zum Thema im Nollendorfblog:

Nach Orlando: Liebe Heteros, sorry, aber jetzt seid Ihr dran!

Archiv CDU/CSU: Wie die Union Homophobie zu ihrem Markenkern macht

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6 Gedanken zu „Aufruf: Mit Obama gegen Merkels böses Bauchgefühl!

  1. Okay, ja, ich bin dabei!

    Nachfragen, „warum sich Deutschland bei einem der großen Menschenrechtsthemen von der Werteentwicklung der westlichen Welt abkoppelt.“ – Großartiger Satz

  2. Sehr guter Kommentar. Es wäre tatsächlich eine einmalige Chance, die wir alle tatkräftig unterstützen sollten: Obama liest Merkel am 25. Mai in aller Öffentlichkeit die Leviten in Sachen Menschenrechte.

    Leider gibt es in den Diskussionen bei der Frage nach den Gründen der Verweigerung der Gleichstellung nur vordergründige Antworten wie: „Es war schon immer so“, „Die Ehe ist eine Verbindung zwischen Mann und Frau“, „Kinder brauchen Vater und Mutter“ usw.

    Man sollte diesen so denkenden Menschen klar machen, dass hinter solchen Scheinargumenten die Abwertung gleichgeschlechtlicher Verhaltensweisen steckt, und zwar bewusst oder unbewusst vornehmlich aus religiösen Gründen nach dem Motto: „Das ist ja bah, ekelig, Sünde …“.

    Diese irrationale Abwertung kann erst dann verschwinden, wenn die traditionsbeladene Verbindung des gelebten Sex mit der Fortpflanzung gelöst wird. Natürlich wird Sex ohne Fortpflanzung nicht erst seit heute auch bewusst praktiziert, jedoch bei vielen oft nur mit mehr oder weniger verstecktem Schamgefühlt (= negatives Bauchgefühl).

    Nur wenn dieses Bauchgefühl überwunden wird, kann der pure Sex in all seinen (gewaltfreien) Varianten als ok, also gleichwertig akzeptiert werden.

  3. Die Merkel und die CDU sind vollkommen Diskriminierend!
    Die CDU bricht das Deutsche Grundgesetz.
    Diskriminierung ist Strafbar und keiner unternimmt was gegen die Merkel und die CDU.
    Wenn ein Bürger ein anderen Diskriminieren tut wird er sofort Angezeigt , warum wird nicht die CDU wegen Diskriminierung Angezeigt?

  4. Um welche Uhrzeit soll das Ganze stattfinden? Und gibt es schon einen Treffpunkt?

  5. Artikel 3 Grundgesetz: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“

    Die sexuelle Orientierung steht da (leider) (noch) nicht drin, deswegen wäre es wahrscheinlich schwierig, Merkel&Co unter Berufung auf diesen Paragraphen anzuzeigen.

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