Teddy für Falk Richter: Deutschlands wichtigster schwuler Theaterregisseur erhält wichtigsten queeren Filmpreis

Vorschaufoto: Falk Richter (c) Elsra Rotthoff

„Für das emanzipatorische Wirken der darstellenden Künste hat das Theater von Falk Richter kontemporär die überzeugendsten Werke erbracht. Die Kombination ästhetischer und analytischer Kommunikation, auch unter prominenter Einbeziehung von Arbeiten von Videokünstlern wie Chris Kondek, Michel Auder und Björn Melhus, tragen zur Inspiration des derzeitigen Filmschaffens bei. Die TEDDY Foundation zeichnet Falk Richter als Beweger, von dem wir uns nachhaltige Impulse für das zukünftige queere und weltoffene Kino wünschen,  mit dem Special TEDDY AWARD aus.“

Wieland Speck, Vorstand der TEDDY Foundation


„Wo sind die Räume, wo die Impulse, wo die Gelegenheiten, in denen Bewegung nicht nur behauptet, sondern wieder gespürt werden kann? Wo werden Fragen gestellt, statt Antworten zementiert? Wo führt das Auftauchen von Widersprüchlichem nicht automatisch dazu, dass diese ganz schnell überwunden werden müssen, sondern dass sie betrachtet, gespürt, und vielleicht sogar auch etwas begriffen werden dürfen?
Die gute Nachricht ist: Es findet statt. Es ist da, das ernsthafte Ringen um Emanzipation und Identifikation, das ehrliche Erspüren und Suchen von Kraft und Möglichkeiten.
Den besten Blick darauf bietet wohl gerade das Theater. Bei Falk Richters Stück Small Town Boy kann man gerade in Berlin live dabei sein, wie queere Bewegung radikal neu gedacht, debattiert und illustriert wird. Nichts wie hin! Oder, um es in es in der Logik von Amazon-Buchempfehlungen auszudrücken: Wenn Dir die großen queeren Bewegungsfilme gefallen haben, weil sie wichtig und richtig waren, Du danach aber etwas vermisst hast, nämlich was das alles jetzt mit Dir, Deiner Zeit, und Deiner Situation zu tun hat: Dann solltest Du Dir dieses Stück anschauen. „

Nollendorfblog anlässlich von Falk Richters „Small Town Boy“ im Gorki Theater, Berlin, 2014

Falk Richter wird gerade mit Ehrungen regelrecht überschüttet. Vor wenigen Wochen wurde er zu Deutschlands Theaterregisseur des Jahres gewählt, kurz danach von der französischen Regierung mit der wichtigsten Kulturauszeichnung des Landes ausgezeichnet und zum Chevalier de l’Ordre des Arts et des Lettres ernannt, was nicht nur sprichwörtlich ein Ritterschlag ist. Die Auszeichnung wird ihm am 14. Februar in der franzsösischen Botschaft in Berlin verliehen. Und ein Tag später, am 15. Februar, wird er dann in der Volksbühne den wichtigsten queeren Filmpreis erhalten, den Special TEDDY AWARD 2019.

Die Entscheidung der Jury ist spektakulär, weil sie ausgerechnet einem Nicht-Kino-Theatermann die größten queeren Filmehren erweist. Die Begründung der Jury hat es in sich: Denn dort findet sich nicht nur der Verweis auf die filmischen Elemente seiner Theaterarbeit. Ihn als „Beweger“ zu preisen, von dem man sich „nachhaltige Impulse für das zukünftige queere und weltoffene Kino“ wünscht, klingt wie eine Mahnung. Es scheint, als würde man Richter auch für das auszeichnen, was das queere Kino gerade nicht, oder zu wenig ist: politisch, aktivistisch, radikal. Im Jahr 50 nach Stonewall gibt der Teddy Award somit ein wichtiges Zeichen an die eigene Branche, aber auch an die gesamte Community: Was wir brauchen, sind Beweger! Und bewegen heißt nicht nur, das eigene Genre mit seinen Gewohnheiten und Erwartungen zu verlassen. Es bedeutet, an Grenzen zu gehen, um diese zu verrücken. Es heißt, Risiko einzugehen.

Falk Richters Theaterarbeit tut genau das. Und deswegen findet sie auch in den Gerichtssälen ihren Nachhall, wo der Regisseur für seine, aber auch für uns aller Kunst- und Meinungsfreiheit kämpft. Er macht sich und seine Kunst damit angreifbar, auch weil manchmal die Grenzen zwischen Kunst und Aktivismus verschwinden. Als sein „Small Town Boy“ im Gorki Theater uraufgeführt wurde, fanden das viele Kritiker zu einseitig. Was sie wohl meinten: zu schwul. Denn auch das muss gesagt werden: Wenn es in dieser Theaterwelt wirklich so einfach wäre, offen schwul zu sein und gleichzeitig so kompromisslos, wie Falk das ist, dann wäre er nicht der einzige offen schwule Theaterregiestar unter den schwulen Theaterregiestars, die es in Deutschland gibt.

Glüchwunsch also an Falk Richter und die Teddy-Jury für dieses wichtige Zeichen. Besser kann das queere Stonewalljahr in Berlin nicht beginnen.



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