David Berger auf WDR 5: Der journalistische Offenbarungseid des Senderchefs Florian Quecke

sEs ist, wie bei so vielen Affären. Nicht der eigentliche Fehler ist das Problem, sondern der Umgang damit. WDR5-Senderchef Florian Quecke, hat heute Vormittag im Radiomagazin „Neugier genügt“ seines eigenen Programmes zwar eingeräumt, dass es ein Fehler war, nicht ein diskusiveres Format als das „Tischgespräch“ für das Interview mit David Berger zu wählen. Außerdem seien in dem Gespräch, das heute Abend ausgestrahlt werden soll, „Chancen verpasst“ worden, gewisse Fragen zu stellen. Die eigentliche Kritik jedoch, die in diesem Blog und anderswo im Vorfeld hohe Wellen schlug, wies er zurück.Als die Moderatorin ihn darauf ansprach, dass ja die Art der Ankündigung zu heftigen Reaktionen geführt habe, behauptete Quecke, dass Berger dort angemessen dargestellt worden sei. Außerdem gebiete es die „Höflichkeit“, einen Gast dort nicht schlechter aussehen zu lassen. Dies ist ein journalistischer Offenbarungseid, an dem der Sender wohl noch länger zu knabbern haben wird. Denn niemand hatte ensthaft vorgeschlagen, Berger auf der Ankündigungsseite des WDR in irgendeiner Art und Weise zu diskreditieren. Es ging ganz einfach um eine saubere journalistische Einordung, die bis heute auf der WDR-Homepage fehlt. Vor allem war gefordert worden, dass dort die aktuellen Tätigkeiten des Gesprächsgastes und seine politische Richtung in irgendeiner Weise kenntlich gemacht werden.

Entweder meint Quecke also, dass die zur Verfügungstellung von Basisfakten keine journalistische Aufgabe ist. Oder er hält diese Fakten für so diskreditierend, dass man sie seinem Gast nicht zumuten kann. (Sollte dem so sein, stellte sich natürlich die Frage, warum man einen solchen Gast seinen Hörern zumuten kann.)

Die Affaire des Journalismusversagens des WDR in der Causa Berger hat also mittlerweile schon mehrere Stufen genommen. 1.) Die selbst als Fehler eingestandene Einladung in ein harmloses Gesprächsformat. 2.) Die dort (auch das wäre in einer solchen Sendung wohl möglich gewesen) offensichtlich unterlassene Konfrontation Bergers mit entscheidenden Elementen seines heutigen Tuns. 3.) Die völlig fehlerhafte Ankündigung Bergers auf der WDR-Homepage, die nahezu alle für das Verständnis des heutigen Wirken Bergers notwendigen Informationen unterschlägt. 4.) Ein Senderchef, der dies als „Höflichkeit“ markiert.

5.) aber, und das ist das Schlimmste: In dem der Sender zwar offiziell so tut, als sei er dankbar für die Kritik, diese aber im Kern als haltlos bezeichnet, stellt er nicht nur sich, sondern auch David Berger als Opfer dar. In meinem letzten Blogbeitrag dazu hatte ich geschrieben: Schlimmer kann man es nicht machen. Ich hatte mich geirrt.

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Hier meine ursprüngliche Kritik:

Die verlogene David-Berger-PR des WDR und seine ärgerliche Homophobietradition

UPDATE:

Der WDR hat das „Tischgespräch“ mit David Berger vorab online gestellt. Alle Befürchtungen haben sich bestätigt. Der Satz in der Begründung des Senders, warum man Berger eingeladen habe („Den Ausschlag gab letztlich die Überzeugung, dass WDR 5 auch mit Menschen in den journalistisch-kritischen Diskurs gehen möchte, die Positionen vertreten, die viele nicht teilen.“), ist eine Farce. Bleibt abzuwarten, ob WDR5 wenigestens die Größe besitzt, die vielen unwidersprochenen Falschaussagen in einem Faktencheck zu dokumentieren.

UPDATE, 23. Februar 2019: Correctiv Fact schreibt auf Twitter:

Heute sendete @wdr5 ein Gespräch mit dem rechten Blogger David Berger. Im Voraus gab es Diskussionen über die Ankündigung – und deren Wortwahl. @nollendorfblog schrieb von einer „David-Berger-PR“. Twitter-Nutzer kritisierten, man würde einem „Rechtsextremen“ eine Bühne geben.Wir @correctiv_fact hatten bereits im Juli 2018 zu David Berger und seinem Blog Philosophia Perennis recherchiert. Zuvor hatten wir mehrmals über Falschmeldungen auf dem Blog berichtet. Unseren Hintergrundbericht finden Sie hier:

Vor Ausstrahlung des Berger-Gesprächs reagierte WDR5-Chef Florian Quecke auf die Kritik. „Es war ein Fehler, dass wir dieses portraithafte Format gewählt haben“. Er kündigte außerdem an, man wolle ein Gespräch mit einer Journalistin von @correctiv_fakt führen. Die Krux: zu diesem Zeitpunkt hatte @correctiv_fakt noch keine Interview-Anfrage erhalten. Erst wenige Minuten nach Ausstrahlung erhielten wir eine E-Mail vom WDR5 –  es war wohl etwas schief gelaufen. Wir lehnten ein Gespräch ab.Wir halten es für schwierig, ohne Bergers Anwesenheit über sein Tun zu sprechen. Es wäre die Aufgabe des WDR5-Journalisten gewesen, Bergers politische Positionen im Gespräch einzuordnen, kritische Fragen zu stellen – oder kritische Journalist*innen zum Interview einzuladen.

UPDATE UND ZUSAMMENFASSUNG:

In meiner BILDBlog-Kolumne („David Berger und der WDR: Ein Sender auf Koks“) habe ich die Ereignisse zusammengefasst und ergänzt, sowie der Aussage des Senderchefs Quecke für widersprochen, es habe sich um eine falsche Formatentscheidung gehandelt:

„Aus dem Umfeld des Senders hört man, dass die Einladung Bergers in die Sendung ‚Tischgespräch‘ allerdings kein Unfall gewesen sei; das Gespräch habe genau so stattfinden sollen. Die journalistische Katastrophe sei nicht aus Unwissenheit passiert, sondern weil der Gesprächsführer exakt gewusst habe, wen er da vor sich haben wird: „Tischgespräch“-Moderator Ulrich Horstmann soll diesen Gast für genau dieses Format gewollt haben. Man merkt dem Gespräch an, dass der Moderator nicht undankbar dafür ist, an gewissen Stellen nicht nachfragen zu müssen. Insofern war es genau das richtige Format.“