SPIEGEL-Redakteur Walter Mayr muss während Kardinal-Interview mal kurz auf Toilette

Vorschaufoto: Ausschnitt aus dem SPIEGEL Nr. 8 / 16.02.2019

SPIEGEL-Redakteur Walter Mayr, geboren 1960, hat in seinem Leben schon viel erlebt. Wie man auf SPIEGEL ONLINE nachlesen kann, berichtete er „als Reporter von den Kriegen im ehemaligen Jugoslawien und über Krisenherde weltweit.“ Er war SPIEGEL-Büroleiter in Wien und Moskau, seit 2013 ist er es in Rom. Er ist zusammen mit fünf anderen Journalisten Träger des Henri Nannen Preises und war 2016 auf der Shortlist des Europäischen Pressepreises.

Ein Mann mit vielen Verdiensten also. Doch in Erinnerung behalten wird man ihn wohl vor allem wegen eines kleines Malheurs, eines, das gemeinhin keinen größeren Schaden anrichtet. Aber Mayr hatte richtig Pech. Doch der Reihe nach.

Für den aktuellen SPIEGEL interviewte Walter Mayr den als Papstkritiker bekannten deutschen Kurienkardinal Gerhard Ludwig Müller, ehemaliger Bischof von Regensburg und als Präfekt der Glaubenskongregation bis 2017 oberster Hüter der katholischen Glaubensdoktrin. Die Kongregation ist die ehemalige Inquisitionsbehörde, sie hat die Aufgabe, die Kirche vor
abweichenden Lehren zu schützen. Der Kardinal ist also mit allen Wassern gewaschen. Aber das ist natürlich für einen erfahrenen SPIEGEL-Journalisten kein Problem. Normalerweise.

Doch diesmal kam alles anders. Das Interview hatte erst vor wenigen Minuten begonnen. Es ging um den Missbrauchsskandal innerhalb der katholischen Kirche, Müller hatte gerade bestritten, dass es eine der Hauptursachen hierfür der „Klerikalismus“ sei, also wie Meyr es beschreibt, im „selbstherrlichen Gebahren katholischer Würdenträger.“ Müller gibt nicht dem System die Schuld, sondern nur den einzelnen Würdenträgern: „Die Ursache liegt im verdorbenen Charakter des Täters, das hat nichts mit dem Amt zu tun.“

Dann fragt Mayr:

Sie behaupten unter anderem, er gebe einen Zusammenhang zwischen Missbrauch und Homosexualität. Wie kommen Sie darauf?

Mayer weiss also von den kruden Thesen des Kardinals. Und wie man den SPIEGEL kennt, ist er nun richtig gut darauf vorbereitet, diese auseinanderzupflücken. Doch der Kardinal liefert nicht nur seine Schwule-sind-schuld-These. Er setzt sogar noch einen drauf:

Übrigens bin ich der Meinung, dass kein Mensch gottgewollt als Homosexueller geboren wird, wir werden geboren als Mann und Frau.

Gut, mag man meinen, dass ein solcher Satz beim SPIEGEL fällt. Gut, dass da jemand gegenüber sitzt, der versteht, auf wie vielen Ebenen ein solcher Satz hinterfragt werden kann und muss. Einmal natürlich, weil der Satz aussagt, dass homosexuelle Männer keine Männer und homosexuelle Frauen keine Frauen sind. Desweiteren natürlich auch, weil – Gott hin oder her – Homosexualität nicht etwas ist, was man sich einfach so aussucht, aber genau das impliziert ja dieser Satz. Und natürlich weiß ein SPIEGEL-Redakteur auch, welche Relevanz ein solcher Satz zur Zeit in Deutschland hat, gerade jetzt, wo darüber gestritten wird, wie man am besten möglichst bald Konversationstherapien verbieten kann, also Homoheilung, die sogar der konservative Gesundheitsminister Jens Spahn als „Körtperverletzung“ gebrandmarkt hat, und deren häufigster Grund Glaubensmänner wie Müller sind, die Homosexualität als umkehrbar, also „heilbar“ betrachten. Und vor allem natürlich, weil dieser Satz in Kombination mit der vorher geäußerten Schwule-sind-Verbrecher-These eine besondere Dringlichkeit bekommt, weil er ja so verstanden werden kann, dass man Schwule heilen muss, um Verbrechen zu verhindern.

Gut also, dass ein solcher Satz beim SPIEGEL fällt. Dumm nur, dass der SPIEGEL-Mann ihn gar nicht mitbekommen hat. Anders scheint die Sache jedefalls nicht erklärlich: Mayr war während dieses Satzes ganz offensichtlich austreten, hatte ganz offensichtlich vergessen, vor dem Interview noch schnell auf Toilette zu gehen. So har nur das Aufnahmegerät mitgeschnitten, was Müller da alles gesagt hat, und was Mayr -hätte er es mitbekommen – selbstverständlich umgehend hinterfragt hätte. So aber bleiben die Müllerschen Bombensätze von jeglichem Journalismus verschont, werden einfach so im SPIEGEL abgetippt und gedruckt, als wären sie keine Bombensätze, so als wären sie keiner einzigen Nachfrage Wert.

Vielleicht sollte es man bei solchen Interviews beim SPIEGEL machen wie in der kommerziellen Luftfahrt im Cockpit: Zur Sicherheit Immer ein zweiter Mann dabei. Oder noch besser: Eine Frau.

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