„Keine Religion!“ Hallervorden verschlimmbessert Kritik

Nach meinem letzten Blogeintrag über die Attacken des Schauspielers und Intendanten Dieter Hallervorden auf die Schauspieler*innen der Massen-Coming-out-Aktion #Actout hat es heftige Proteste gegen den Theatermacher gegeben.

U.a. in einer Pressemitteilung der Queer Media Society:

Gegen Verunglimpfung durch prominente Künstlerkollegen wie Schauspieler und Theaterleiter Dieter Hallervorden müssen wir uns allerdings entschieden wehren.

»Aber niemand sollte mit seiner Besonderheit meinen, es besonders in den publizitären Vordergrund zu rücken. Es gilt einfach: Jedem das Seine!« (Dieter Hallervorden via Facebook-Kommentar)
Dies demonstriert, wie weit entfernt wir auch im Jahr 2021 von Geschichtsbewusstsein, Akzeptanz, Inklusion und Teilhabe sind, wie nötig die Initiative #ActOut ist und wie wichtig die nachhaltige Arbeit der QMS ist.

Hallervorden hat sich nun in einem weiteren Facebook-Kommentar erklärt. Und alles verschlimmbessert:

Dass ich mit Nazis nichts „am Hut“ habe, ist aktenkundig.
Jedem das Seine kommt aus dem Lateinischen und war in Deutschland Jahrhunderte alter Sprachgebrauch.
Frage: Sollen Nazis auf Ewigkeit triumphieren, weil sie es mit Zwölf Jahren Diktatur geschafft haben, unsere Sprachgewonheiten zu limitieren?
Aber gut, ich gebe zu, das hätte man anders formulieren müssen!
Und damit ihr euch weiter ereifern könnt, sag ich es mal mit Berliner Kodderschnauze:
Jedem Tierchen sein Pläsierchen! Keine Benachteiligung! Respektvoller Umgang für mich selbstverständlich.
Nur bitte von keiner Seite ne Art „Religion“ draus machen….
Nicht dass mich irgendwann das Gefühl beschleicht, ich müsse erklären, warum ic heterosexuell war, bin und bleibe…..
Ansonsten: Meine Arme für Zusammenarbeit sind offen!!!!!

Das ist AfD-Sprech pur.  Er hat also nichts gegen Homosexuelle, aber:

Wie sollen sich denn Homosexuelle outen, ohne, dass es zur „Religion“ wird? Wenn bei ihm schon nach einer solchen bedächtig argumentierten Aktion die Alarmglocken klingen? Queere Menschen, die durch ihr offenes queer-Sein eine Zumutung für Heteros sind, weil die sich dann irgendwann erklären müssten? Nach Hallervorderns Definition von „respektvollem Umgang“ ist die einzige Form von Homosexualität, die nicht in Gefahr steht, irgendwann zum Problem zu werden, diejenige, im Schrank zu bleiben.

Aber den Hammer bringt er, wie bei seinem letzten Statement, wieder am Schluss: Ein Theaterintendant, der offen für die Zusammenarbeit mit homosexuellen Schauspieler*innen ist?

Mannomann!

Update 27. Februar 2021:

In meinem Podcast habe ich mit den beiden #ActOut-Initiator*innen, der Schauspieler*in Karin Hanczewski („Tatort“) und ihrem Kollegen Godehard Giese („Babylon Berlin“) über ihre Initiative gesprochen: Die bewegende Entstehungsgeschichte, die Reaktionen und was nun passieren soll. Der von queer.de präsentierte QUEERKRAM-Podcast lässt sich auch auf allen großen Podcast-Portalen und Apps abspielen.

Hier der Ursprungsbeitrag zum Thema #Actout:

Schauspieler*innen-Coming-out: Der Kampf beginnt erst jetzt!

Weitere Beiträge zum Thema:

Meine Rede anlässlich zur Gründung der Queer Media Society:

Queer in den Medien: Homosexualität ist keine Privatsache!

Im Theatermagazin habe ich 2018 über Homophobie in Theater, Fernsehen und Film geschrieben und Coming-outs von Schauspieler*innen geschrieben. Ich bin sehr froh, dass sich die Überschrift von damals jetzt überholt hat. Sie lautete:

Jeder springt für sich allein.

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