„Schrill“: BILD erklärt, was uns Alexander Dobrindt sagen wollte

Kennen Sie Sven Florijan?* Keine Sorge, das geht nicht nur Ihnen so.

Eine Suche in Google-News ergibt heute  in 0,15 Sekunden fünf Artikel mit diesem Namen. Drei sind wirkliche Presseberichte, wobei es in zwei davon gar nicht um Herrn Florijan geht. Man kann sagen, er wird dort nur erwähnt:

Einmal in der Hamburger Morgenpost in einem Beitrag über eine Faschingsparty:

„Als Showact dabei: Hot-Banditoz-Sänger Silva Gonzales (33). Der Hamburger war zuletzt im RTL-Dschungelcamp, wurde von den Zuschauern aber als erstes rausgewählt.

Mal sehen, ob er bei den Leuten auf der, nach eigenen Angaben „wildesten Kostümparty Norddeutschlands“, besser ankommt. Auch der Assistent von Olivia Jones, Sven Florijan, feiert mit.“

Und dann in der Hamburger Regionalausgabe der BILD-Zeitung:

„Kult-Transe Olivia Jones (43) hatte zum Dreh für „Das perfekte Promidinner“ nach Hamburg geladen. Neben der Dragqueen zauberte ihr Assistent Sven Florijan (32) am Drei-Gänge- Menü.“

(*Hervorhebung durch mich)

Ohne Herrn Florijan beleidigen zu wollen, darf man wohl sagen, dass es viele, ja sogar sehr viele Menschen gibt, die mehr im Fokus der Medienöffentlichkeit stehen als er.

Und es spricht Vieles dafür, dass Menschen, die Fans von Promi-Geschichten sind, nicht gerade gierig nach Neuigkeiten aus seinem Privatleben dürsten.

Es muss deshalb ein Zufall sein, dass es  Sven Florjan vorgestern trotzdem auf die Startseite von bild.de geschafft hat:

Bildschirmfoto 2013-03-14 um 18.40.44

Und was für ein Zufall, dass ein solcher Artikel just in dieser Woche so prominent erscheint.

Ein Artikel mit einer Überschrift gebastelt aus „Schrill“ und „Hochzeit“ ausgerechnet einige Tage nach dem der der Verweis auf die angebliche Schrill-heit einer Minderheit  dazu dienen soll, deren Recht auf Hochzeit im Sinne einer staatlich legitimierten Ehe in Frage zu stellen?

BILD stellt natürlich nichts in Frage und hält sich wie immer aus diesem Politik-Zeugs völlig heraus.

Aber wenn diese Geschichte weder von politischer Relevanz noch von der ihrer Protagonisten getragen wird, wovon denn dann?

Etwa wirklich davon, dass diese Hochzeit  so supercrazy ist? Die, was auch immer das ist, die „schrillste“ des Jahres ist?

Jeder der schonmal vor dem Schaufenster mit den Hochzeitsbildern eines Fotogeschäftes in einer Kleinstadt gestanden hat, weiss, dass das nicht stimmen kann.

Und jeder, der eine Story über eine wirklich schräge Hochzeit machen möchte, findet da ganz anderes BILD-Material.

Aber irgendwie muss es diese Story ja auf die Startseite von bild.de geschafft haben. Irgendwas muss doch hier von allgemeinem, überregionalem Interesse sein. Ist es vielleicht doch kein Zufall?

Machen wir es Zeile für Zeile:

Headline 1:

Olivias Assistent Sven heiratet seinen Freund

Hm, da steht also: Jemand, den man nicht kennt heiratet jemanden, den man nicht kennt. Aber da steht auch ein Versprechen:  Keine Angst, schön crazy ist es trotzdem, denn beide sind ja schwul.

Headline 2:

Das wird die schrillste Hochzeit des Jahres

Man weiß nicht so genau, ob das als Hoffnung oder als Drohung gemeint ist. Aber zumindest wird vermittelt, dass  sich die beiden nicht gegen diese Einschätzung wehren. Was wir daraus lernen können:  Jeder wünscht sich eine möglichst tolle Hochzeit. Und wenn eine schwule Hochzeit das Ziel hat, möglichst „schrill“ zu sein, muss dann nicht „schrill“ etwas besonders Tolles sein? Für Schwule.

Da fragt man sich nur, warum sich die Schwulen so aufregen, wenn man sie so nennt.

Zur Bildunterschrift:

(Lassen wir mal die Frage offen, ob Fotograf und Redakteur  den beiden mit dieser Inszenierung einen Gefallen tun wollten. Jedenfalls schafft es die Redaktion, heterosexuelle Hochzeitspaare in natürlicheren Situationen einzufangen)

Seit 15 Monaten ein Paar, nächste Woche heiraten Sven Florijan (32, r.) und sein Schatz Sebi (24) standesamtlich

Echt?

Der Artikel beginnt:

City – Als „Kugelblitz von St. Pauli“ startet Sven Florijan (32) gerade durch.
Und auch privat läuft es für den Assistenten von Olivia Jones rund: Nächste Woche heiratet der bunte Vogel seinen Freund Sebi (24).

Okay, fangen wir einfach mal an, die Synonyme für „andersartig“ zu zählen. „Schrill“ hatten wir schon, mit dem „bunten Vogel“ wären wäre das dann der zweite Strich.

Im TV haben sie sich kennengelernt, seit 15 Monaten sind sie ein Paar.

Das ist bis jetzt mein absoluter Lieblingssatz des Jahres! Wunderbar. Wie die das machen, dass sich völlig Absurdes so logisch liest!  Nein, nicht bei irgendeiner Sendung haben sie sich kennen gelernt. Sondern – genial – „im TV“ !  Das Fernsehen ist nämlich gar kein Medium, sondern ein Ort. Ein natürlichen Lebensraum für „bunte Vögel“. Andere nennen sagen „Paradiesvögel“, Volker Kauder nennt es „Kulturszene“.

Kurz nach dem Tod von Svens Vater haben sie sich verlobt. Sven: „Mein Vater hat Sebi sehr gemocht. Darum war klar, dass wir schnell heiraten.“

Nur zur Erinnerung: Das Ganze firmiert unter der „schrillsten Hochzeit des Jahres“.

Aber versprochen ist versprochen:

Und das wird keine 0815-Trauung …

Geht doch. Strich Nummer Drei. Jetzt sind wir aber gespannt …

Der Ablauf: Mit einer Stretch-Limousine geht es zum Standesamt Eppendorf, (…)

Das ist aber wirklich schrill! Jedoch: Wenn man sich etwas auf den einschlägigen Stretch-Limousinen-Seiten umgeschaut, hat man nicht den Eindruck, dass man Stretch-Limousinen-Inhaber dazu zwingen muss, ihre Wagen für Hochzeiten zu vermieten. Es scheint sich um ein etabliertes Geschäftsmodell zu handeln, auch für Heteros.

Aber vielleicht passiert ja jetzt etwas super Abgedrehtes:

(…) dort wird vor 180 Freunden „Ja“ gesagt. Ab 18 Uhr Feier in „Olivias Show Club“. Mit Svens Familie aus Bad Rothenfelde, aber auch mit Promis: Dschungel-König Joey will singen – und auch Klaus Baumgart hat eine Überraschung …

Um was für eine Überraschung es dabei geht, wird nicht gesagt.  Aber das Alles ist ja auch so schon atemberaubend genug:

Das Outfit: Beide tragen weiße Jeans-Fräcke mit Nieten, darunter ein T-Shirt mit ihren Konturen.

Doch zum Äussersten kommt es dann doch nicht. Der nächste Satz klingt wie eine Entschuldigung an die Leser:

Svens Styling: (fast) ungeschminkt. „Das ist ungewöhnlich, war aber meine Bedingung“, sagt Sebi.

Doch so richtig schön dekadent wird es dann doch noch. Na, ein bisschen zumindest … :

Die Ringe sind aus Silber mit einem schwarzen Brillanten. Innen stehen ihre Namen und ihr Partymotto: „Stimmung!“

Und jetzt halten Sie sich fest:

Im Sommer geht’s in die Flitterwochen nach Mallorca. Stimmung garantiert.

Manchmal ist die Nachricht nur, dass es eine Nachricht ist. Hier ist es nicht einmal das. Hier sind es zwei Wörter in einer Überschrift und ein Bild.

* Mir ist schon klar, dass die Findbarkeit bei Google News nicht die Medienpräsenz einer Person anzeigt. Ich weiss auch, dass Florijan während des Dschungelcamps als die Begleitung von Olivia Jones bei RTL ein paar mal im Bild war. Es gibt auch noch einen anderen Artikel von BILD Hamburg über Florijan. Doch dieser ist nicht sehr viel weniger bezeichnender als der hier besprochene und ,und darum geht es, er war auch auf der Startseite von bild.de .

12 Gedanken zu „„Schrill“: BILD erklärt, was uns Alexander Dobrindt sagen wollte

  1. …ich dachte die glööckler hochzeit soll die schrillste des jahres werden… aber spaß beiseite, ich finde es schade dass schwule die heiraten immer auf dieser „schrille“ und BElustigende art für das heterovolk dargestellt werden, ansonsten würde dieser artikel überhaupt nicht stattfinden da den assistent von frau jones nun wirklich niemand kennt, ich hätte ihn auch eher als kandidat bei „biggest looser“ gesehen, aber dieses format hatte ja schon seine tuntigen quotenschwulen.

  2. wenn man so mitten in schöneberg seinen wirkungskreis hat … ist man ja so einiges gewöhnt 🙂 aber die geschichte ist wirklich göttlich … und deine aufbereitung macht es zu einem absoluten genuss 🙂 in diesem sinne wünsche ich uns allen einen „schrillen“ abend 🙂

  3. 1. Mann kennt den dicken mit den fiesen Haaren als Unterschichten-TV-Zuschauern sehr gut aus dem Tages- und Vorabendsprogramm.
    2. Der wird sich ganz alleine darum gekümmert haben, endlich mehr google-Einträge zu erlangen, er selbst findet sich schrill und möchte unbedingt noch öfters in weiteren Formaten seine gestelzte Tuntigkeit präsentieren.
    3. Bild bietet ihm diese Plattform, weil er für den Leser interessant erscheint und aus diversen TV-Formaten als die schrille und einigermaßen sympathische Tunte bekannt ist, also einen Wiedererkennungswert bietet,
    Fazit: Dein Blogtext verfehlt das Thema, konstruiert sogar selbst ein „Issue“, wo gar keins ist, sowas können die von Bild echt besser.

  4. @ Robert Niedermeier:
    Mir geht es nicht um die Motivation von Sven Florijan (deswegen möchte ich Deine Punkte 1 & 2 nicht kommentieren) sondern um die von BILD. Und da Du hast Recht: „Bild bietet ihm diese Plattform, weil er für den Leser interessant erscheint“. Aber was ist interessant? Glaubst Du wirklich, bild.de das auf die Startseite hebt, weil die Menschen sich für das Privatleben von Florijan interessieren?

  5. Sehr passend dazu (leider gibt es den Artikel nicht online): In der Tageszeitung „Rheinpfalz“ von heute gibt es einen Artikel über Trash-TV, Überschrift „Spirale des Extremen – Schmuddel-TV: Mit immer bizarreren, grausameren und abstruseren Ideen werden die moralischen Grenzen überschritten“. Das Bild dazu zeigt – wie könnte es anders sein – ein schwules Pärchen. Ok, sie sind Teilnehmer der Doku-Soap „7 Tage Sex“, aber sehen ganz brav aus, überhaupt nicht „bizarr“ oder „extrem“. Für den Redakteur war der Zusammenhang aber wohl klar: Schwul = extrem, schmuddelig, gegen die Moral. Homophobie at its best…

  6. Hmmm… sicher ist die sprachliche Stigmatisierung von Homosexuellen in deutschen Medien ein Problem. Das aber gerade an diesem relativ harmlosen Beitrag mit ja doch eigentlich recht positiver, nach einem Eindruck fast schon (falls es dergleichen bei der BILD denn gibt) wohlwollender Botschaft zu versuchen, kommt mir etwas seltsam vor. Ich behaupte mal ins Blaue, dass sich weder O. Jones noch ihr in Rede stehender Assistent gegen die Verwendung der Begriffe „schrill“ und „bunte Vögel“ wehren würden – denn, seien wir ehrlich, in ihrem Fall entspricht das ja nunmal einfach schon rein frisurentechnisch den Tatsachen. Auch wenn man also natürlich nicht weiß, wie bieder die Hochzeit am Ende aussehen wird: Die Vermutung, sie könnte eine eher schrille Veranstaltung werden, ist zumindest nicht völlig aus der Luft gegriffen – beziehungsweise fußt jedenfalls deutlich mehr auf dem Boden der Tatsachen, als ein Großteil der sonstigen Artikel in einer durchschnittlichen BILD. Soll heißen: „Schrill“ kann durchaus diskriminierend sein – aber hier? Nö.

  7. Pingback: » Wegen Conchita Wurst: BILD-Politikchef Anda gewinnt Homophobie-BingoIch hab ja nichts gegen Schwule, aber

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