Augsteins „Ehe für alle“-Kritik bedient auch Muster des Antisemitismus

Foto/Copyright: CC BY 2.0 Das blaue Sofa / Club Bertelsmann.

Eine aktuelle SPIEGEL ONLINE Kolumne von Jacob Augstein ist weiteres Indiz dafür, wie sehr sich rechter und linker homophober Populismus annähern, wie sehr jetzt auch von linker Seite das Thema gleiche Rechte für Homosexuelle als Symbol für die Fehlentwicklungen einer aus den Fugen geratenen globalisierten Welt etabliert wird.

Die „Ehe für alle“ bildet den Schluss von Augsteins Argumentationskette, mit dem er den Niedergang der Sozialdemokratie beschwört und den Aufstieg der AfD als neue Volkspartei verheißt.

Augstein spricht von „intellektuellen Spielereien“, die den Leuten, „die sich von der Globalisierung bedroht fühlen“, genauso wenig helfen würden „wie die ‚Ehe für alle'“.

Mit „intellektuellen Spielereien“ meint er die Kritik am ehemaligen SPD-Chef und derzeitigen geschäftsführenden Außenminister Sigmar Gabriel, der in einem SPIEGEL-Beitrag im letzten Dezember gleiche Rechte für Homosexuelle gegen Industriearbeitsplätze und innere Sicherheit ausgespielt hatte. (Hier meine Erwiderung von damals: Sigmar Gabriels Homo-Bashing: „Wer gleiche Rechte gegen Gerechtigkeit ausspielt, kann kein Sozialdemokrat sein“)

Die Tatsache, dass er sich mit dieser Kritik inhaltlich gar nicht auseinandersetzt, sondern sie damit abtut, indem er sie einer abgehobenen, privilegierten Bevölkerungsgruppe zuweist, zeigt nicht nur die Nähe zwischen linker und rechter Homophobie, sondern auch, wie sehr deren gemeinsame Muster denen des Antisemitismus ähneln:

„Und die aufgeklärten Eliten maulen, man solle das eine nicht gegen das andere ausspielen“, schreibt Augstein. Er diskreditiert ein Argument nicht nur dadurch, dass es angeblich nur das einer Elite ist. Er unterstellt auch die von der „Ehe für alle“ selbst „betroffene“ Bevölkerungsgruppe als eine abgehobene. Denn wenn er behauptet, die rechtliche Gleichstellung helfe nicht den „Leuten, die sich von der Globalisierung bedroht fühlen“, unterstellt er ja, dass Lesben und Schwule aus einer Schicht stammen, die von diesen Bedrohungen unberührt ist. Er führt das von Gabriel initiierte Ausspielen von Interessen auf eine neue Stufe, indem er Gruppen voneinander trennt: Hier eine privilegierte Minderheit, dort das alleine gelassene einfache Volk. Die Annahme, dass die „Ehe für alle“ letzterem nicht nur nicht nützt, sondern auch schadet, ist zwar nicht ausgesprochen, aber suggeriert. Denn welchen Sinn, welchen anderen Zusammenhang soll eine Aussage haben, nach der das eine dem anderen nicht hilft, wenn es doch gar nicht schaden kann? In der letzten Legislaturperiode hat der Bundestag über 500 Gesetze verabschiedet. Warum muss sich, wenn man Augstein folgt, ausgerechnet das der „Ehe für alle“ sich dafür rechtfertigen, dass es den Globablisierungsverlierern nicht hilft?

Aber ginge es Augstein wirklich um linke Gesellschaftskritik, könnte er den Zusammenhang erkennen, den es zwischen „sex“ und „class“ wirklich gibt. Es ist eben kein Intellektueller, sondern ein ganz praktischer:  Die Diskriminierung von Lesben und Schwulen bedeutet für diese auch einen erheblichen Nachteil in der Arbeitswelt. Sie verdienen weniger, sie sind erpressbarer. Sie sind unfreier in der Auswahl für sie akzeptabler Arbeitsumfelder. Nur ein Drittel traut sich in Deutschland am Arbeitsplatz überhaupt, seine sexuelle Identität preiszugeben. Dass solchen Leuten jetzt durch die „Ehe für alle“ jetzt der Rücken gestärkt wird, hat nichts Elitäres. Im Gegenteil. Augstein macht die Diskriminierten unter den Bedrohten zum Problem und trägt damit dazu bei, dass ihre prekäre Situation verfestigt wird.

Aber nicht nur der Versuch, die Diskussion um das Beenden einer Diskriminierung als eine elitäre Sache zu diffamieren – obwohl sie es nicht ist – ist ein Problem. Wer „Elite“ selbst als Kampfbegriff benutzt, der begibt sich auf gefährliche Pfade.

Oder wie Alan Posener in anderer Sache schreibt: „Dort, wo man die Elite verteufelt, ist bald der Teufel los.“

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7 Gedanken zu „Augsteins „Ehe für alle“-Kritik bedient auch Muster des Antisemitismus

  1. Der „Herr“ A ist (ebenso wie der „Herr“ G ) bösartig, antisemitisch, homophob und hoffärtig, dieser noch ein wenig dümmer als jener, beide nicht mit intelligenten Argumenten auch nur im geringsten zu beeindrucken. Trotzdem ist es für mich immer schön, zu lesen, dass ich mit meiner Meinung nicht allein da stehe. Danke dafür!

  2. Sorry, aber das absoluter Bullshit. Genauso lächerlich zusammen argumentiert wie Augstein selbst…

  3. Sorry dem linken Autor Johannes Kram kann man bei diesem Artikel nur widersprechen. Er unterstellt Blome und Augstein Positionen, die diese BEIDE schlichtweg nicht haben.

    Sowohl Blome als auch Augstein hätten der Ehe für alle, wenn sie im Bundestag Abgeordnete wären, Ihre Zustimmung gegeben und sind BEIDE Befürworter der Ehe für alle. ich mag es überhaupt nicht, wenn linke Autoren der LGBTI-Szenze Inhalte verbreiten, die inhaltlich nicht stimmen.

  4. „In der letzten Legislaturperiode hat der Bundestag über 500 Gesetze verabschiedet. Warum muss sich, wenn man Augstein folgt, ausgerechnet das der „Ehe für alle“ sich dafür rechtfertigen, dass es den Globablisierungsverlierern nicht hilft?“

    Richtig, selbst wenn man (so wie ich) kein Freund der Homophobie-Keule ist, lässt sich nicht wegdiskutieren, dass Augstein mit seiner selektiven Auswahl 1:500 an die Strategie populistischer Diskurse wie den Luxusproblem- oder den Sündenbock-Diskurs anschließt.

    Er ignoriert, dass SPD, Grüne & Co. die Öffnung der Ehe nicht den Lesben und Schwulen hinterhergetragen hat, sondern dass diese das Resultat des mindestens 40 Jahre währenden gesellschaftspolitischen Kampfes und zivilgesellschaftlichen Engagements für Gleichberechtigung ist, die durch Politiker und Aktivisten mehrerer Generation getragen wurden.

    Augstein spekuliert außerdem EU- und ausländerfeindliche Proteste zu einem Protest gegen soziale Ungerechtigkeit um, als wäre er zum Psychoanalytiker von Pegida berufen, der weiß, was die Menschen in Wahrheit wollen (auch, wenn sie etwas völlig anderes artikulieren und/oder eine Partei wie die AfD wählen, die unverhohlen die Interessen der Vermögenden vertritt).

  5. Den Nagel auf den Kopf getroffen. Immer wieder erschütternd, welchen Berg an Ressentiments selbsterklärt progressive Menschen wie Augstein oder Gabriel mit sich herumschleppen.

  6. Ich schon wieder kritisiert GeLU alias Gerd LÜbbers die ach so böhse linke Szene, dafür, dass sie angeblich falsche Inhalte verbreiten, wo er das doch dauernd macht und anderen Parteien Verdienste zuschreibt, die ihnen nicht zustehen! Geht es noch unverschämter?

  7. Wie sagte noch AKK.Männer die net wissen ob Sie beim Pinkeln sitzen oder stehen wollen…ob akk ihren eigenen mann zum sitzen und wc schrubben anhält? als mann gehts wohl mit stehen und schrubben besser,bevor jemand einem zu unartgerechter haltung mubbt.grinz.

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