„Seite Eins“: Das wird man doch wohl noch sagen dürfen …

In eigener Sache …

Seit ich hier vor über sechs Jahren zu bloggen angefangen habe, hat sich ein Thema immer wieder nach vorne gedrängt: Homophobie in den Medien. Ich habe versucht etwas darüber herauszufinden, warum sich manche Klischees so hartnäckig halten, darüber, wie tief bestimmte Ressentiments verwurzelt sind, oft so tief, dass selbst die Opfer von Homophobie sie bereitwillig übernommen haben und pflegen.

Beim Waldschlösschen-Appell gegen Homophobie in den Medien war es mir dann wichtig, dass wir innerhalb der Szene einen Konsens darüber erreichen,  wann wir bestimmte Darstellungen in den Medien nicht mehr als Meinungsäußerung durchgehen lassen, sondern als das benennen was sie sind: Diffamierung.

Seit ziemlich genau einem Jahr erleben wir nun eine in gewisser Weise neue Spielart des alten Homohasses. Bis dahin erlebten wir vor allem dumpfe Homophobie in den Medien als eines der letzten verbliebenen Indentifikationmerkmale eines aussterbenden und sinnlos nach Sinn schnappenden Konservatismus, wie er durch skurile Figuren wie Erika Steinzeitbach repräsentiert, aber auch immer mehr der Lächerlichkeit preisgegeben wurde.

Homophobie schien vielen als etwas, was sich mit der Zeit irgendwie selbst erledigen würde, der Kampf um das vermeintlich entscheidende Ziel der „Homo-Ehe“ als das letzte Gefecht.

Doch dann kam es schlag auf Schlag: Die Anti-Homogesetze Putins als Overtüre für eine neue Aggressionspolitik, der eskalierende Streit um den baden-württembergischen Bildungsplan, die Bewegung um die aufkeimende „Professorenpartei“ AfD bis zu „Pegida“ wirbelten in Deutschland nicht nur die politischen Denk- und Erklärmuster in den Medien durcheinander. Die Medien selbst wurden selbst immer mehr zur Angriffsfläche. Nicht nur als klassisch rechts einzustufende Meinungsmacher beklagten nun die „Denkverbote“ mit denen „die Medien“ angeblich durch ein „Meinungskartell“ Minderheiten wie Homosexuellen hinterherlaufen. Publizisten wie Matthias Mathussek, Henryk M. Broder, Bela Anda, und Akif Pirinçci empfahlen sich als Vordenker einer „Homophobie Nouvelle“, die natürlich nichts gegen Lesben und Schwule hat.

Gemeinsam ist ihnen die Agenda des „Das wird man doch wohl noch mal sagen dürfen“, mit der sie gegen Minderheiten hetzen und dabei so tun, als wären sie dabei  besonders mutig, weil sie ja ein angebliches Tabu absprechen.

Damit sind wir beim Thema dieses Blogbeitrages in eigener Sache:

Heute hat im Berliner Tipi am Kanzleramt die Mediensatire „Seite Eins“ Premiere, ein „Theaterstück für einen Mann und ein Smartphone“, das ich geschrieben habe. Ich bin glücklich und stolz, dass wir für die Erstinszenierung (Uraufführung war im September im Theater Gütersloh) den Schauspieler und Comedian Ingolf Lück gewinnen konnten, den viele, den ihn kennen, wahrscheinlich von einer ganz anderen Seite erleben werden. Lück spielt den zwiespältigen Boulevard-Journalisten Marco, der eine junge Sängerin für eine reisserische Story in die Bredouille bringt.

Anders als dieses Blog ist das Stück kein Text, der sich hauptsächlich an die Community richtet, auch in der Handlung selbst geht es nicht vornehmlich um Lesben und Schwule. Hintergrund ist aber, was mich auch in diesem Blog immer wieder beim Schreiben antreibt: Der Versuch, die Mechanismen hinter der Meinungsmache aufzuzeigen. Konkret die aktuelle Empörungskultur, die Stimmung gegen Migranten und Homosexuelle mit dem Argument macht, sie hätten in unserer Gesellschaft viel zu viel zu sagen und würden diese bedrohen. So geht es also auch um den Berliner „Lesbenfriedhof“ und Conchita Wursts Eurovisions-Auftritt als Mosaiksteine der beliebten These, nach der sich unser Land gerade von Minderheiten terrorisieren lässt.

Aber ich möchte mit dem Stück nicht einseitig auf die bösen Journalisten zeigen. Wir alle sind Teil der Medien und entscheiden durch unser Konsumverhalten darüber, welche Medien wir in Zukunft haben werden.

Natürlich würde ich mich freuen, wenn auch viele Leser dieses Blogs den Weg in das Stück finden würden und hier in den Kommentarspalten ihre eigene Meinung dazu beitragen würden.

Und ja: Gerne weitersagen, weiterposten.

Vielen Dank! Johannes

—–

Das Onlinemagazin Krautreporter hat soeben das Stück zusammen mit einigen Hintergrundkommentaren online gestellt. Dort kann direkt mit mir zu  konkreten Textstellen diskutiert werden.  

Das u.a. durch die Bundeszentrale für politische Bildung geförderte medienkritische Debatten-Portal vocer.org hat ein eigenes „Seite Eins“-Dossier gestartet, in dem die Themen des Stücks mit Berichten aus der Praxis vertieft werden.

Das NDR-Medienmagazin „Zapp“ hat Hintergrund-Interviews zu „Seite Eins“ auf seiner Website veröffentlicht.

Weitere Termine im Berliner Tipi am Kanzleramt gibt es vom 5- – 8. März. Die Premiere an den Hamburger Kammerspielen ist am 17. März, die an der Kölner Volksbühne am 8. Mai.

Zusätzlich zur Inszenierung mit Ingolf Lück wird es eine weitere mit dem Schauspieler und Ex-Tatortstar Boris Aljinovic geben, die am 11. April bei den Movimentos Festwochen der Autostadt Hamburg Premiere haben wird.  

Inhalt, Kritiken, alle Termine und weitere Informationen gibt es auf www.seite-eins.net .

—-

Beiträge aus dem Nollendorfblog zum Thema:

Wegen Conchita Wurst: BILD-Politikchef Anda gewinnt Homophobie-Bingo

Statt “Wetten Dass..?”: BamS macht Frauen- und Homohasser Pirinçci zum Genie

Die Homophobie der “Konservativen” gleicht der Logik des Antisemitismus

Broder/Anda/Matussek: Wenn alte Männer “Müssen” müssen

Das Lexikon der Homophobie: “Denkverbote”

Das Trauma der Erika Steinbach und das Verdienst von Anne Will

Maischberger erklärt Homosexualität zur “Gesinnung” / Unterstützerwelle für den “Waldschlösschen Appell”Das Trauma der Erika Steinbach und das Verdienst von Anne Will

“Homophobie für alle!” – Ein Volksbildungskurs mit Matthias Matussek

Ein Gedanke zu „„Seite Eins“: Das wird man doch wohl noch sagen dürfen …

  1. Schwule und Lesben sind ein dreckiges und amoralisches Gesindel. Denn es steht unumstößlich fest: Der Mund ist zum essen, trinken und sprechen vorgesehen; die Nase zum riechen und die Ohren zum Hören. Wer sein Geschlechtsteil oder sein Hinterteil nicht in der natürlichen Weise verwendet, sondern es zweckentfremdet, macht sich der Selbstvergewaltigung schuldig. Jedes homosexuelle Handeln ist folglich abartig und krank.
    Meinie Meinung lautet: Stoppt Homosexualität jetzt!

Hinterlasse einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.