Homophobie und Rassismus: Die ARD ist Dieter Nuhrs perfekte Bühne

Wie ist es eigentlich möglich, dass Dieter Nuhrs homophobe und rassistischen Pointen in der ARD auf so wenig Gegenwehr stoßen?

Zunächst: Die Erkenntnisbereitschaft darüber, was eigentlich Homophobie oder Rassismus ist, ist unter ARD Intendant*innen traditionell eher bescheiden. Der noch immer amtierende Intendant des Bayerischen Rundfunks brachte vor einigen Jahren das Kunststück fertig, eine ARD-Themenwoche zum Thema „Toleranz“, die sich u.a. gegen Homophobie und Rassismus wenden sollte, mit einer Plakatkampagne zu bewerben, die u.a. homophob und rassistisch war.

Der heutige Intendant des Südwestrundfunks, Kai Gniffke, nutzte im letzten Jahr als damaliger Erster Chefredakteur der ARD, und somit Verantwortlicher über die ARD-Nachrichtensendungen, einen seiner seltenen Tagesthemen-Kommentare dazu, eine ziemlich rassistische Aussage des Schalke 04-Präsidenten Clemens Tönnies zu bescheinigen, dass diese nicht rassistisch sei. Sein einziges Argument hierbei: Nach allem, was er über Tönnies wisse, wisse er, dass dieser kein Rassist sei: „Wirklich nicht!“

Nach Logik des heutigen SWR-Intendanten ist für die Beurteilung einer rassistischen Aussage also nicht deren rassistischer Gehalt entscheidend, sondern die Frage, ob die betreffende Person auf ihn rassistisch wirkt. Dass Rassismus auch und gerade da vorkommt, wo man ihn eben nicht zu wissen glaubt, hatte sich in der ARD – zumindest bis vor einem Jahr – bis zum Chef von Deutschlands wichtigster Nachrichtensendung noch nicht herumgesprochen. Dass Rassismus da besonders tückisch ist und gerade da auch die Erklärfähigkeiten von Journalist*innen benötigen würde, scheint dem ehemaligen obersten Nachrichtenmann daher nicht nur nicht in den Sinn zu kommen. Statt Rassismus zu erklären, verklärt er ihn.

Auf ähnlich niedrigen Niveau – wenn es ums Rassismusverstehen geht – segelt seine Intendantin-Kollegin vom Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB), Patricia Schlesinger. Und damit kommen wir zu Dieter Nuhr. Denn nach den Rassismusvorwürfen gegen ihn entschuldigte sich Schlesinger zwar für die Unkenntnis des Kabarettisten, der das  Buch Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen aber wissen sollten von Alice Hasters in der vom RBB verantworteten ARD-Sendung Nuhr im Ersten angegriffen hatte, ohne es zu kennen. Aber den offensichtlichen Rassismus mochte sie nicht verdammen. Zumindest nicht den von Dieter Nuhr. Allen anderen natürlich schon: „Rassismus hat im RBB unter meiner Führung keinen Platz“, behauptete sie  die Fakten entstellend, da ja gerade genau das Gegenteil der Fall gewesen war: Ihr Sender hatte Dieter Nuhr Sendeplatz eingeräumt, den dieser offensichtlich ungehindert für Rassismus nutzen konnte. Keinen Rassismus im Sender haben zu wollen ist eben etwas anderes, als sich effektiv darum zu kümmern, dass dem auch so ist.

Dass sie das aber genau nicht will, also sich wirksam kümmern, verrät ihre Erklärung, warum sie Nuhrs Äußerungen nicht beanstanden möchte: Sie seien von der Kunstfreiheit gedeckt. Genauso gut hätte sie anführen können, dass Nuhrs Äußerungen grammatikalisch richtig seien und dazu noch im Einklang mit dem Jugendschutzgesetz. Beides ist ebenso richtig. Tut aber ebenso nichts zur Sache: Dass etwas Kunst sein kann und trotzdem Rassismus, hat Schlesinger ganz offensichtlich nicht so ganz verstanden. Dass es auch nicht darum geht, Nuhr solche Aussagen zu verbieten, sondern ihm das Problematische daran zu vermitteln, offensichtlich auch nicht. Schlesingers Ausgabe wäre es gewesen, Nuhr Aussagen einzuordnen, aber das kann oder mag sie nicht.

Die Intendantin steht für die rassistischen Aussagen Nuhrs auch deswegen in der Verantwortung, weil diese beim RBB offensichtlich niemand bemerkt hatten. Oder, was noch bedenklicher wäre: Kein Problem darin sahen. Denn wenn es stimmt, was Schlesinger über Nuhr sagt, nämlich, dass sie ihn dafür schätze, dass dieser „an Grenzen geht“, wäre es ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass es in Dieter Nuhrs Redaktion Leute gibt, die sich an diesen Grenzen zumindest etwas auskennen. Rassismus ist nun mal nicht erst seit gestern eine der Grenzregionen im gesellschaftspolitischen Diskurs und das Buch von Alice Hasters ist einer der Bestseller dazu. Wenn die Verantwortlichen einer der großen deutschen Satiresendungen darüber so ahnungslos sind, dass sie den von Nuhr dazu verzapften Mist nicht als solchen erkennen können, stimmt da etwas was grundsätzlich nicht.

Dieter Nuhr ist in der ARD dauerpräsent. Die Sendung Nuhr im Ersten, die bis 2015 noch Satiregipfel hieß, moderierte er in diesem Jahr bisher 15-mal. Zusätzlich zeigte der Sender im Januar sein Live-Programm Dieter Nuhr live. Im November durfte er unter dem Motto „Wie immer Nuhr anders“ ein Special zur ARD-Themenwoche machen. Auch der Satirische Jahresrückblick der ARD wird von Dieter Nuhr bestritten, die Ausstrahlung ist am 17. Dezember. Die Nuhr-Sendungen werden zudem im Hauptprogramm, in den Dritten und den ARD-Spartensendern wiederholt, alleine dem Satirischen Jahresrückblick passiert das bis Jahresende sieben mal. Und natürlich ist er häufig Gast in anderen ARD-Formaten.

Warum räumt die ARD einen Mann so viel Sendeplatz ein, dessen Spezialität es ist, gegen Minderheiten auszuteilen, ohne gleichzeitig in den dazugehörigen Debatten und Themen auch nur rudimentäre Orientierung zu besitzen? Oder, um es mit Dieter Nuhr zu sagen: Der es nicht auf die Reihe bekommt, bei gar keine Ahnung einfach mal die Fresse zu halten? Und wie konnten Dieter Nuhr ausgerechnet in einem öffentlich-rechtlichen Sender jede Maßstäbe abhandenkommen? Wie konnte es etwa passieren, dass er aus seinem Sender selbst dann keinen Gegenwind bekommt, wenn er, wie Ende September 2020 bei Phoenix, „Shitstorms“ in die Nähe von Pogromen rückt?

Nun, die Antwort ist ziemlich einfach: Dieter Nuhr ist kein Fremdkörper in der ARD. Viele ihrer politischen Formate sind in Minderheitenfragen, wenn auch nicht so bösartig, aber doch so ahnungslos und fahrlässig wie der Haus-Satiriker. Debatten entgleiten bei den Themen Homophobie und Rassismus in den politischen ARD-Talkshows oft mit Ansage. Der Rollback gegen LGBTI in den letzten zehn Jahren wurde besonders auffällig von zwei ARD-Sendungen flankiert: Auf dem Höhepunkt der Diskussion um die Ehe für alle und den Bildungsplänen für Vielfalt waren es die ARD-Formate des Westdeutschen Rundfunks (WDR) Maischberger („Droht die moralische Umerziehung?“) und Hart aber Fair mit Frank Plasberg („Papa, Papa, Kind: Homo-Ehe ohne Grenzen?“), die mit Entrüstung gegen LGBTI Stimmung machten.

Dies bedeutet natürlich nicht, dass die ARD-Formate besonders dazu neigen, rassistisch oder homophob zu sein. Es gibt in der ARD auch immer wieder wunderbare und beispielhafte Beispiele dafür, wie man angemessen mit Rassismus und Homophobie umgeht. Das Problem ist ein anderes, nämlich das mangelnde Problembewusstsein. Offensichtlich sind viele ARD-Formate mit deren Macher*innen so sehr von ihrer unbestreitbaren Fortschrittlichkeit überzeugt, dass es ihnen nicht nur schwerfällt, ihre unbewussten oder unbedarften homophoben und rassistischen Denkstrukturen zu hinterfragen, sondern auch mit völligem Unverständnis reagieren, wenn andere dies tun.

Insbesondere bei Homophobievorwürfen an ARD-Programminhalte habe ich in den letzten 11 Jahren immer wieder die Beharrlichkeit von Verantwortlichen erlebt, mit denen man sich erst gar nicht mit den Argumenten solcher Kritik befasst, sondern stattdessen die Kritiker belehrt, wie unsinnig ihre Kritik eigentlich ist.

Als im März 2018 mein Buch Ich hab ja nichts gegen Schwule, aber erschien, war vor allem das Thema Lachen über Schwule in der Presse ein Thema. Etwa hier in einem Interview im Tagesspiegel:

Unter dem Vorwand, die Homophobie Putins zu kritisieren, schaffte es Dieter Nuhr, während nur eines Auftritts sieben Gags zu machen, die die Lächerlichkeit von schwulem Sex zelebrieren: fünf über Analverkehr und drei darüber, wie blöde Tunten sind. Nicht mal der Witz mit der Seife und den Schwulen unter der Dusche kann er sich verkneifen. Das ist der Klassiker aller 175er -Jokes, der darauf beruht, dass man immer schön aufpassen muss, damit einem der Schwuli nicht einfach seinen Schwanz reinsteckt.

In jedem einzelnen Interview hatte ich ausgeführt, dass man natürlich auch über Schwule lachen darf, dass es aber trotzdem problematisch ist, wenn damit alte Ressentiments fortgeschrieben werden und die Pointe auf Lächerlichkeit und Abwertung beruht.  (Der Text zu Dieter Nuhrs Homophobie aus meinem Buch ist ursprünglich hier im Blog erschienen.) Am 3. März erschien im SPIEGEL ein ganzseitiger Artikel über die im Buch geäußerte Kritik an Comedians wie Jürgen von der Lippe und Dieter Nuhr, die sich auch beide im Beitrag äußerten und meine Vorwürfe natürlich zurückwiesen. Mein Argument, dass er für seine schwulenfeindlichen Tiraden Wladimir Putin vorschob, konterte er, in dem er Putin vorschob. Es sei unmöglich zu übersehen gewesen, „dass ich mich gerade über Putins Schwulenfeindlichkeit lustig mache“, behauptete er. Mein Argument, dass aber nicht über die Lächerlichkeit von Putin, sondern über die von Schwulen gelacht würde, ging er nicht ein.

Durch den SPIEGEL-Artikel war es gelungen, dass endlich einmal Homophobievorwürfe auch beliebter Fernsehstars breiter diskutiert wurden. Es war die Tür zu einer Debatte geöffnet worden, die auch in der ARD dringend geführt werden müsste. Der erste mediale Auftritt Nuhrs nach der SPIEGEL-Veröffentlichung war wenige Tage später in der beliebten (ARD)-Talkshow Kölner Treff im Dritten Programm des WDR, in der der Satiriker von Susan Link befragt wurde.

Und da wurde dann die Tür dann ganz schnell wieder zugemacht:

Susan Link: Über was kann man eigentlich noch lachen, ohne dass irgendjemand beleidigt ist?

Dieter Nuhr: Das geht gar nicht.

Susan Link: Eben. Und wie geht man da mit um? Muss man sich dann entscheiden irgendwie, oder?

Dieter Nur: Ja, man muss das in Kauf nehmen. Also ich glaube, wir haben heute so ne Empörungsroutine. Die Leute sind ja rituell empört quasi. Also egal, worüber man Witze macht. Ich glaube, man könnte heute Witze machen über Steine. Dann gibts wahrscheinlich noch …

Susan Link: … ein Steinefreund …

Dieter Nuhr: … den Verband der Steinefreunde oder so.

Um die Lächerlichkeit der angeblichen total unbegründeten Kritik an Dieter Nuhr zu unterstreichen, erzählt Dieter Nuhr dann, er habe mal einen groben Radfahrerwitz gemacht und dann habe ihm der Radfahrerverband vorgeworfen, er hätte zum Töten von Radfahrern aufgerufen.

Das stimmt natürlich nicht, im Internet gibt es gar nichts zu Radfahrerverband und Dieter Nuhr aber Susan Link ist trotzdem alarmiert.

Susan Link: Aber, lieber Dieter Nuhr, wir lachen jetzt darüber. Es gibt natürlich da auch diesen ernsthaften Aspekt: Dass es wirklich schwierig ist, gerade, wenn sie sich politisch äußern, oder wenn es um Religion geht, das haben wir ja in den letzten Jahren auch, an Ihren Namen angeheftet auch miterleben müssen, leider, muss ich sagen …

Dieter Nuhr: … ja

Susan Link: Muss ja auch erlaubt sein. Meine ich zumindest.

Das „Das wird man doch mal sagen dürfen“ muss Nuhr gar nicht aussprechen. Das übernimmt die ARD-Kollegin für ihn, die  u.a. im ARD-Morgenmagazin und als Frank-Plasberg-Vertretung bei Hart aber Fair politische Themen moderiert.

Obwohl Dieter Nuhr seit mehreren Jahren mit guten Gründen massiver Kritik ausgesetzt ist, muss er sich in ARD-Talkshows hierzu nicht erklären, er wird mit den Argumenten dieser Kritik nicht konfrontiert. Stattdessen bestärken die Moderator*innen ihren ARD-Buddy darin, die Kritiker nicht ernst nehmen zu müssen.

Auch als Nuhr in der ARD-Talkshow 3nach9 mit Giovanni Lorenzo im Fernsehprogramm von Radio Bremen zu Gast ist, wird sich minutenlang darüber beömmelt, dass heute immer alle nur noch beleidigt sind. Nachdem eine Schauspielerin  Nuhr sekundiert, indem sie über „beleidigte Leberwürste“ räsoniert, fasst der Moderator zusammen:

Giovanni di Lorenzo: Heißt das auch, dass eine Gruppe, die sich als Minderheit versteht und die oft diskriminiert worden ist, einfach damit leben muss, dass sich andere Leute darüber lustig machen?

Dieter Nuhr: Ja. (…) Erstens glaube ich, dass jeder aushalten muss, dass sich jemand über einen lustig macht. Ansonsten: Sie haben mein Buch eigentlich ziemlich kurz zusammen gefasst.

Di Lorenzo freut sich, alle lachen vergnügt. Die notwendige Diskussion ist wieder einmal beendet worden, bevor sie angefangen hat. Auch di Lorenzo hatte sich keine einzige Sekunde die Mühe gemacht, zu erklären, was die Vertreter*innen von Minderheiten hier eigentlich anführen. So zu tun, als könnten diese einfach nur nicht vertragen, dass man über sie lacht, ist unredlich und bedient, wenn man hier Homosexuelle bei den Minderheiten mitmeint, natürlich im Endeffekt auch homophobe Ressentiments: Dass diese weinerlich sind und schnell beleidigt. Als ob diese nicht damit leben könnten (und es ja auch tagtäglich tun), dass man auch über sie lacht. Als ob diese ohne Grund eine Art Sonderbehandlung für sich einforderten und sich nicht die Mühe machten, genau zu begründen, wann und warum bestimmte Pointen ein Problem sind.

Die Minderheiten sollen sich eben nicht so anstellen. Wie soll Dieter Nuhr in einem solchen Umfeld auf die Idee kommen, dass es ein Problem sein könnte, über ein Buch über Rassismus Witze zu machen, obwohl man es nicht gelesen hat?  Und ohne sich die Mühe machen zu müssen zu verstehen, worum es da eigentlich geht?

Wie soll Dieter Nuhr nicht auf die Idee kommen, dass seine Kritiker im Prinzip entweder weinerlich oder boshaft sind? Oder einfach nur irre?

Warum sollte es ein Problem sein, wenn er Kritik zu Shitstorms deklariert, die er wiederum mit Pogromen vergleicht, wenn seine Eskalationen nicht nur keine Rolle spielen, sondern ihm ständig die Neigung zum Gegenteil attestiert wird? Wie etwa in der Ankündigung zur 3nach9-Sendung:

Er ist das Gegenteil von aufbrausend: Kabarettist Dieter Nuhr nimmt das Weltgeschehen stets besonnen und süffisant auseinander und begeistert so sein Publikum seit mehr als dreißig Jahren.

Auch wenige Wochen nach seiner in Deutschland heftig diskutierten Pogrom-Äußerung war Nuhr wieder Gast bei 3nach9 und wurde über eine Viertelstunde lang von Giovanni di Lorenzo zu allem möglichen befragt. Für Nuhrs jüngste Provokation war allerdings wieder keine Zeit.

Bei der ARD ist Dieter Nuhr so gut zu Hause, weil er hier fast nur auf Leute trifft, die wie der Meinung sind, die Speerspitze im Kampf gegen Minderheitenfeindlichkeit darzustellen.

Doch hinzu kommt noch etwas anderes.

Viele ARD-Anstalten stehen im Gegensatz zum ZDF traditionell im Verdacht, „links“ zu sein. In den späten 1970ern etablierte sich der hauptsächlich von Unions-Politikern verwendete Kampfbegriff des „Rotfunks“, der sich vor allem gehen den WDR und Radio Bremen richtete, aber auch gegen den NDR und den Berliner RBB-Vorgänger SFB. Die medienpolitische Diskussion ist heute eine ganz andere, heute sind die öffentlich-rechtlichen Anstalten einer   Rechtsfertigungssituation, in der sie ihre Existenz begründen müssen. Die AfD möchte ARD und ZDF radikal auf einen „Grundfunk“ zurechtstutzen und argumentiert dabei vor allem mit einem „Zweifel an der politischen Objektivität und Unabhängigkeit“ der Anstalten, was natürlich bedeutet: Sie sind der rechtspopulistischen Partei zu links. Aber die Kampfbegriffe „Staatsfunk“ und  „Zwangsgebühren“ kommen nicht nur von ganz rechts. Es vermischt sich hier der durch die Digitalisierung enorm verschärfte Interessens- und Verteilungskonflikt zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Medien mit dem politischen Unbehagen, wie es vom ehemaligen SPIEGEL und heutigen FOCUS-Kolumnisten Jan Fleischhauer formuliert wird: Er nennt ARD und ZDF in seiner Kolumne „öffentlich-grün-roter Rundfunk“.

Fleischhauer schreibt:

„Britain makes a noise“, sagt der Vater der Brexit-Kampagne, Dominic Cummings, zum Auftakt des fabelhaften Historiendramas „Brexit – The Uncivil War“, in dem der britische Sender Channel 4 die Hintergründe dieses seltsamen Volksaufstands aufrollt.

Auch die Deutschen machen ein Geräusch. Es ist bislang nur ein Grollen in der Ferne, ein Grummeln des Unmuts, das man in den Fernsehanstalten glaubt, ignorieren zu können, weil Politik und Verfassungsgerichte ihre schützende Hand über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk halten. Es schlägt sich in den Umfragen nieder, in denen eine Mehrheit angibt, man könne bestimmte Wahrheiten nicht mehr offen aussprechen. Es zeigt sich auch in den Erfolgen der AfD, die dem Missmut über das Gebührenfernsehen den aggressivsten Ausdruck verleiht.

Wie die Sache beim Brexit ausgegangen ist, wissen wir. Hoffen wir, dass den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht ein ähnliches Schicksal ereilt. Wenn der Brexit eines gezeigt hat, dann dass man auf Dauer das Rauschen des Unmuts nicht überhören sollte.

Mal ganz angesehen davon, ob Fleischhauer hier „das Rauschen“ beschreibt, oder selbst Teil des Rauschens ist: Der Druck auf die öffentlich-rechtlichen Sender und besonders auf die mehrheitlich als immer noch im Zweifel eher links geltenden ARD-Anstalten ist groß, nicht den Eindruck zu erwecken, hier dürften bestimmte Dinge nicht mehr gesagt werden.

Die ARD könnte sich darum bemühen zu erklären, dass das rechte Rauschen der letzten Jahre die Grenzen des in Deutschland Sagbaren in die Richtung verschoben hat, dass sich das Sagbare vergrößert und nicht verkleinert hat. Dass nicht die Diskriminierten durch ihre angeblichen Denk- und Lachverbote die Aggressoren sind, sondern diejenigen, die sie diskriminieren.

Aber das ist schwierig. Viel einfacher ist es, jemanden an vorderster Front zu haben, der sich ebenfalls dann am meisten diskriminiert fühlt, wenn er es ist, der andere abwertet.

Dieter Nuhr ist hierfür die Idealbesetzung.

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