Stoppt Kramp-Karrenbauer!

„Guckt Euch doch mal die Männer von heute an: Wer war denn von Euch vor Kurzem mal in Berlin, da seht Ihr doch die Latte-Macchiato-Fraktion die, die Toiletten für das dritte Geschlecht einführen. Das ist für die Männer, die noch nicht wissen, ob sie noch stehen dürfen beim Pinkeln oder schon sitzen müssen. Dafür – dazwischen -ist diese Toilette.“

Annegret Kramp-Karrenbauer in ihrer umjubelten Rede beim „Stockacher Narrengericht“, einer mit viel Politikprominenz besetzen TV-Karnevalssitzung zur Hauptsendezeit. Die Ausfälle gegen das „Dritte Geschlecht“ fielen nicht nebenbei, sondern war der oder einer der Höhepunkte. Hier das Gesamtvideo, die Passage beginnt bei 19’32“ . Bei queer.de gibt es mehr zur Rede und den Reaktionen darauf.

Die einzige Frage, die bei der Beurteilung der Widerwärtigkeit der Anneget Kramp-Karrenbauer noch bleibt: Weiß sie, um was es beim „Dritten Geschlecht“ geht und hat intersexuelle Menschen deshalb so verächtlich gemacht? Oder weiß sie es nicht, hat ihre Verächtlichmachung damit zu tun, dass sie von dem, mit dem sie Furore macht, keine Ahnung hat?

Doch was ist schlimmer? Ja, man muss fragen: Was treibt diese Frau Richtung Kanzleramt? Empathieloses, hartes Kalkül oder tatsächlich dummdreiste Ignoranz? Kramp-Karrenbauer, das muss man immer wieder sagen, hat es nicht trotz, sondern wegen ihrer Homophobie zur CDU-Vorsitzenden gebracht. Ihre Position zur Ehe für alle ist reaktionär und von völkischem Gedankengut, da sie ersthaft davor warnt, dass die Gleichstellung Minderheit den Zusammenhalt der Gesellschaft gefährdet.

Und auch für den Kampf ums Kanzleramt scheint sie sich ihrer Strategie treu zu bleiben: Nirgendwo trumpft sie so auf bei wie beim Treten gegen Minderheiten.

Hat es das nach 1945 schon einmal gegeben, dass ein aussichtsreicher Bewerber, eine aussichtsreiche Bewerberin um das Kanzleramt so hemmungslos diese niederen Instinkte bedient? Ich habe noch den Strauß-Wahlkampf 1980 erlebt, der wohl einer der härtesten und polarisierensten war. Ja, man kann die Zeiten nicht vergleichen und doch behaupte ich, dass selbst einem Franz Josef Strauß so etwas nicht passiert wäre, dass dieser ein Niveau hatte, um eine Grenze wusste, die man nicht übertritt: Sich genau auf Kosten einer der Minderheiten zu profilieren, die aufgrund der Mißstände in dieser Gesellschaft besonders versetzlich ist. Und diese dann auch noch genau da zu bespotten, wo sie am verletzlichsten ist.

@EvBlaine , Intersex Aktivst_in schreibt auf Twitter zur AKK-Äußerung zum „dritten Geschlecht“,

dass genau diese Phantasien und Erwartungen zu Männlichkeit ein Aspekt waren/sind, um inter* Kinder uneigewilligten Operationen auszuliefern, wenn sie als „Junge/Mann“ nicht im Stehen urinieren könnten……

Wir erleben gerade in Amerika, wie das Bespotten und Herabwürdigen von Minderheiten als Teil einer politischen Agenda die politische Kultur eines Landes vergiftet. LGBTI-Aktivisten in den USA berichten von einer starken Zunahme der Hassverbrechen nach der Wahl von Donald Trump.

Und doch ist es unfair, bei der aggressiven Sprache gegen LGTBI Trump mit AKK zu vergleichen. Es ist unfair gegenüber Trump.

Eine Kanzlerin Kramp-Karrenbauer ist nicht nur gefährlich, weil sie gefährlich für Minderheiten ist. Eine Kanzlerin Kramp Karrenbauer ist auch gefährlich für die bürgerliche Mehrheit. Denn wie sehr kann man diese Mehrheit verachten, wenn man denkt, sie nur über das Ausstellen von Ressentiments gegen andere erreichen zu können?

Stoppt Annegret Kramp Karrenbauer!


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Mehr zum Thema:

Das politische Kalkül der Annegret Kramp-Karrenbauer verdient unsere tiefe Verachtung

Ehe für alle: Der völkische Wahn der Annegret Kramp-Karrenbauer

Wer sich über das Thema Intersexualität informieren möchte, dem empfehle ich den Doku-Film der Berliner Buzzfeed-Journalistin Juliane Löffler in der Netflix-Doku-Serie „Follow This“

Nachtrag (mein Facebook – Post von 12.00 Uhr):

Wie weit wir in diesem Land schon gekommen sind, wie weit die Grenzen des Sagbaren verschoben ist, zeigt sich auch daran, dass die Ausfälle von AKK gegen intersexuelle Menschen bereits am Donnerstag stattfanden und erst zwei Tage später nach meinem Post hier zur Kenntnis genommen wurden. Der Saal war voll mit Politikprominenz, der SWR hat live übetragen, es gab viele Berichte über diesen Abend, doch keinem von ihnen ist dieser unglaubliche Satz auch nur einen Satz wert. „AKK muss Stockacher Narrengericht drei Eimer Wein zahlen“ titelt der SWR auf seiner Webseite, so als sei sonst nichts passiert.

Man kann im TV nicht genau sehen, wer da alles applaudiert hat, aber es
scheint so, als hätte sich hier kaum einer zurückhalten können vor
Begeisterung. Buh-Rufe habe ich keine gehört, nur Gejohle. Wie sich das
für intersexuelle Menschen anfühlen muss, können die, die es nicht sind,
nur erahnen. Sie brauchen auf jeden Fall jetzt unsere Solidarität.
Spätestens wenn die Vorsitzende der größten Volkspartei eine Mindeheit
einem Festsaal zum Fraß vorwirft, darf keiner von uns mehr schweigen.

Nachfolgeartikel:

In meiner BILDblog-Kolumne habe ich beschrieben, wie was meinem Facebook-Post diese Riesenwelle wurde. Vor allem aber näher die Rolle der Medien untersucht:

Das Versagen der Medien bei AKKs Spott über intersexuelle Menschen

Hier im Blog habe ich geschrieben, wie die BILD-Zeitung die ganze Sache instrumentalisiert:

Nach AKK Witz: BILD-Chef beschwört Wahlkampf gegen sexuelle Vielfalt