Sechs Tipps für Journalisten, die über einen CSD berichten wollen

1.) Ein CSD ist keine Schwulenparade. Abgesehen davon, dass Lesben nicht schwul sind: Es ist auch eine Parade von Bi-, Trans-, und Intersexuellen. Schreibt einfach LGTBI, oder auch „queer“.

2.) Nein, die CSDs sind nicht politischer geworden, sie waren es immer schon, es hat Euch nur nicht interessiert. Und nein, unsere politischen Forderungen sind mit der „Ehe für alle“ nicht erfüllt. Die Öffnung der Ehe war ein wichtiger, längst überfälliger Schritt. Die leidige Diskussion darüber hat aber auch viele Themen in den Hintergrund gedrückt, die nun auf den CSDs umso deutlicher gefordert werden können. Wenn Ihr also darüber schreiben wollt, was noch getan werden muss: Ein neues diskriminierungsfreies Transsexuellengesetz zum Beispiel, wirksame Antidiskriminierungsgesetze, mehr Hilfe für verfolgte LGTBI weltweit, Abschaffung der Diskriminierung durch kirchliche Arbeitgeber, und, und …

3.) Es gibt kein Gesetz, das Euch zwingt, das Wort „schrill“ unter ein CSD-Bild oder in einen CSD-Artikel zu schreiben. Wie wär’s mit „bunt“ oder „vielfältig“, denn darum geht es ja: Jede und jeder zeigt sich so, wie sie/er will. Ja, zeigt sie, die auffälligsten Outfits, aber gebt Euren Lesern, Euren Zuschauern auch die Chance, einen Eindruck zu gewinnen, wie so ein CSD wirklich aussieht. Auch wenn Ihr das gerne hättet: Ein Maskenball ist er nicht und auch kein Karneval im Sommer.

4.) Habt ein bisschen Respekt. Vielleicht überlegt Ihr Euch mal, was das für viele bedeutet, die da mitlaufen, auch an Mut und Ermutigung, an Halt und Haltung, an Selbstvergewisserung und Statement. Bevor Ihr das ganze wieder auf die große Party, die es auch ist, reduziert: Versetzt Euch doch mal in die Lage von Menschen, die sich nur an diesem einen Tag im Jahr nicht als Minderheit im öffentlichen Raum erleben dürfen. Wie würdet Ihr Euch fühlen?

5.) Nein, es geht hier nicht um Toleranz. Es geht um Akzeptanz. Und nur weil jetzt die „Ehe für alle“ kommt, wird die Diskriminierung Homosexueller in der Gesellschaft nicht verschwinden. Es wird sogar schwieriger werden, diese zu benennen, wo doch jetzt alle denken, dass alles erreicht worden ist.

6.) Jetzt wo die „Ehe für alle“ endlich kommt, ist endlich Platz für die guten Geschichten. Nutzt die Gelegenheit: Lasst Sie Euch erzählen! Und dazu gehört, sich ein bisschen mehr einfallen zu lassen, als jetzt einfach herumzufragen, wer jetzt alles heiraten will. Es ging nicht ums heiraten wollen, sondern ums heiraten können, das ist doch nicht so schwer, oder? Also strengt Euch einfach ein bisschen an dieses Jahr! Please!

Im letzten Jahr: Fünf Tipps für Journalisten, die über einen CSD berichten wollen

3 Gedanken zu „Sechs Tipps für Journalisten, die über einen CSD berichten wollen

  1. Engstirnigkeit im 21’jahrhundert,finde ich schlimm! Einseitige Berichterstattung mehr als nur blöd!!!!!!
    MfG Petra Marie Zurek

  2. Gut geschrieben und auf den Punkt gebracht!

    Mal gleich, aus aktuellem Anlass, bei der Kölner Regionalausgabe der Zeitung mit den großen Buchstaben gegenlesen und prüfen…: Ok,“schrill“ haben sie dort direkt im ersten Absatz, aber ansonsten ist der Bericht über den Kölner CSD deutlich besser als erwartet, es scheinen sich manche Medien tatsächlich inzwischen an solche Tipps zu halten und zumindest kurz nachzudenken, bevor sie die üblichen Standardartikel über CSDs herunterschreiben.

    P.S.: Kleiner typo in Absatz 2 (LTTBI)

  3. Leider hat es der eigentlich ja gar nicht schwulenfeindliche Lokalsender münchen.tv, der sonst auch gern mal aus der Deutschen Eiche berichtet, geschafft, die Wörter „bunt“ und „schrill“ in seiner Ankündigung der CSD-Parade direkt hintereinander unterzubringen – und das auch noch unmittelbar nach einem kurzen Bericht über Kardinal Marxens Forderung an die bayerische Regierung, gegen die Eheöffnung zu klagen. Dort wäre das Wort eher angebracht gewesen, denn das ewige Gegeifer gegen die Gleichberechtigung geht von der schrillen Minderheit radikaler Christen und Biedermeierpolitiker aus.

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