„Regenbogen-Paradoxon“: Wie sich die Rainbow-Flag auch gegen die Community richtet

Es ist Pride-Month und überall hängen Regenbogenfahnen. Selbst Marken und Organisationen, die man eigentlich eher als weniger progressiv betrachtet, zeigen Flagge für Vielfalt. Ein Zeichen dafür, dass die Anliegen queerer Menschen nun endlich – wie man so schön sagt – auch in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind?

Jein.

Da wäre zunächst die Diskussion ums Pinkwashing, die mittlerweile wie der Pride Month selbst zum jährlich wiederkehrenden Ritual geworden ist. Jedes Jahr wird nicht nur in queeren Medien darüber diskutiert, ob die meisten Firmen mit ihren Regenbogen-Logos in Wahrheit gar nicht für Vielfalt und für die queere Community werben, sondern für sich selbst. 

Diese Diskussion ist meist ein bisschen flach, denn natürlich werben Firmen immer für sich selbst, und das ist auch legitim. Die einfache Frage, die dabei leider viel zu selten gestellt wird, ist, was denn hinter der durch die Flagge zum Ausdruck gebrachten Solidarität steckt, also wie denn genau das Engagement der jeweiligen Firmen aussieht. Besteht es wirklich nur daraus, ein Firmenlogo umzufärben, ohne aber zumindest Mindeststandards einer diversen Kultur zu gewährleisten (etwa die Förderung eines queeren Mitrabeiter*innennetzwerkes, ein professionelles Diversity-Management und wirksame Anlaufstellen), dann sollten diese Firmen wirklich öffentlich geteert und gefedert werden. 

Denn sie unterstützen die Community nicht nur nicht: Sie führen ihr auch aktiven Schaden zu, weil sie ihr eine Sicherheit vorgaukeln, die sie nicht gewährleisten wollen.

In diesem Jahr fällt diese Diskussion hierzulande vor allem BMW auf die Füße, die zwar hier ihr Logos im Pride-Month schön in Regenbogenfarben getaucht haben, aber in Russland natürlich nicht und dies u.a. damit erklären, dass man ja auch auf „landesspezifische kulturelle Aspekte“ eine Rücksicht nehmen müsse. Zynisch zwar, zumal man damit ja auch sagt, dass man keine eigenen Werte hat, sondern sich diese nach jeweiliger Marktbedingung zurechtbastelt, aber ja irgendwie auch nachvollziehbar, dass man sich wegen der Queers nicht das Russland-Geschäft kaputt machen lassen will. Aber dann soll man bitte hierzulande bitte auch nicht so tun, als ob einem das Thema irgendwie besonders wichtig wäre. Oder sich zumindest die Mühe machen, einmal zu erklären, wie man denn seine Marktmacht in Russland dafür einsetzen möchte, dass der landesspezifische kulturelle Homophobie-Aspekt sich zumindest nicht gegen die eigenen Mitarbeiter*innen dort richtet. 

Doch das Problem an der Flut der Regenbogenflaggen ist nicht nur das Pinkwashing selbst, sondern auch die Tatsache, dass hier die große Sichtbarkeit der queeren Flagge auch dazu führt, dass die Sichtbarkeit queerer Themen gefährdet ist. Nennen wir es das “Regenbogen-Paradoxon”: 

Je mehr sich die Gesellschaft und ihre Institutionen und Marken Vielfalt auf die Fahnen schreiben, um so schwieriger ist es, in der Gesellschaft und mit diesen Institutionen, über Vielfalt zu reden und über die Probleme für LGBTI, die es noch gibt, und über die man jetzt eigentlich im Pride-Month diskutieren und streiten müsste.

Denn wenn überall Regenbogen sind, wenn alle jetzt angeblich so für Toleranz und Akzeptanz stehen, ja, wenn selbst die CDU vor dem Konrad-Adenauer-Haus am Internationalen Tag gegen Homo- und Transphobie die Pride-Flagge hisst, dann ist doch alles erreicht, oder? Jedenfalls wirkt jede Forderung nach Akzeptanz und aktiver queer-Politik immer mehr wie absurd. Es verstärkt sich immer der Eindruck, dass es keine Probleme mehr gibt und dass die, die über diese Probleme reden wollen, die Probleme doch eigentlich nur herbeireden.

Das Beispiel CDU zeigt, wie problematisch die Wirkung dieses Paradoxons ist: Im Mai hisste die Partei nicht nur die Regenbogenflagge, sie blockierte auch die überfällige Abschaffung des diskriminierenden Transsexuellengesetzes und verhinderte neue unterstützende gesetzliche Regelungen für trans* Menschen. Sie hat sich, wie bei fast allen historischen queerpolitischen Entscheidungen, gegen die Interessen queerer Menschen entschieden. 

Die Flagge vor der CDU-Bundesgeschäftsstelle nutzt also der Partei, weil sie sich trotz ihrer queerfeindlichen Politik als queerfreundlich darstellen kann (also klassisches Pinkwashing), und sie schadet gleichzeitig der Community, weil die größte Regierungspartei unsere Forderungen noch leichter ignorieren kann, als sie es sowieso schon tut. 

Auch die Diskussion um die von der UEFA nicht genehmigte Regenbogen-Illumination der Münchner Allianz beim Europameisterschaftsspiel Deutschland gegen Ungarn zeigt, wie sehr sich die Macht des Regenbogen-Symbols gegen uns richten kann.

Denn einerseits ist es natürlich gut, wenn auch konservative CSU-Politiker*innen gestern fordern, dass bei einem solchen Spiel Solidarität mit der queeren Community gezeigt und ein Zeichen für Akzeptanz und gegen Queerfeindlichkeit gesetzt wird. Doch andererseits kostet es sie nichts, während die Community einen Preis hierfür bezahlt:

Zufälligerweise ebenfalls gestern hat die Union ihr Wahlprogramm vorgestellt. Dass es dort auf 140 Seiten an keiner einzigen Stelle irgendwo die Unterstützung queerer Menschen zum Ziel erklärt wird, ist ein Affront gegen queere Menschen, zumal ihnen zur Unterstützung der Kirchen sogar ein ganzes Kapitel wichtig war. 

Es ist ein Affront, gegen die sich die Unionsleute auch deswegen so leicht erwehren können, weil sie sich jetzt – ohne dabei irgendwelche Konsequenzen ziehen zu müssen – mit der Kritik gegen das Regenbogenverbot der UEFA queerfreundlich profilieren können. 

Solidarität ist keine, wenn sie nicht gilt, wenn es darauf ankommt. Das ist so bei der UEFA aber auch bei den Herren von der CSU. Wer den Regenbogen nutzt, ist nur dann unser Alliierter, wenn er auch bereit ist, wirklich für uns einzustehen. Tut er es nicht, ist und bleibt er unser Gegner.

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