Gloria von Thurn und Taxis: Können auch Frauen schwulen Selbsthass haben?

Foto: By  8mobili) [CC BY-SA 2.0 de (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/de/deed.en)]

Schwuler Selbsthass ist eine schlimme Sache: Die eigene Veranlagung, das eigene Sein, steht im Widerspruch zum Bewusstsein, zum Weltbild und der Vorstellung davon, welche Rolle das eigene Ich darin zu spielen hat.

Der öffentliche Umgang der Fürstin von Thurn und Taxis mit dem Thema Schwulsein (ich spreche hier bewusst von Schwulsein und nicht von Homosexualität) stellt ein mustergültiges Anschauungsmaterial zu diesem Phänomen dar: Einerseits das Zelebrieren und Auskosten schwuler kultureller Codes und emanzipatorischer Errungenschaften. Und dann immer wieder die dunkle Seite, die Abbitte, der religiöse Wahn, die öffentlich verkündete Distanz.

Doch wie passt dieses Phänomen zu einer womöglich heterosexuellen Mutter? Wie kann es passiert sein,  dass ein Gebrechen, unter dem normalerweise nur schwule Männer zu leiden haben, eine Frau heimsucht? Kann man sich Umstände vorstellen, unter denen das möglich ist?

Eigentlich nicht. Wirklich nicht. Unmöglich. Es sei denn, – nun, dann müssten wirklich unglaubliche Dinge passiert sein. Man müsste sich Dinge vorstellen, die so surreal sind, dass die Diskrepanz zwischen Sein und Bewusstsein so galaktisch und monströs ist, dass da etwas entstanden ist, das es eigentlich gar nicht geben kann.

Reden wir jetzt mal nicht über Gloria. Stellen wir uns einen fiktiven Fall vor. Konstruieren wir einmal eine Situation, in der eine solche Übertragung schwulen Selbsthasses zwar nicht vorstellbar, aber immerhin plausibel erscheinen würde. Wie gesagt: Rein theoretisch und unter Annahme völlig abwegiger Konstellationen. Es müsste eine Frau sein, die eine  schwule Geschichte hat, die höchst traumatisch und widersprüchlich ist, die in einer Welt spielt, in der einen alten, reichen schwulen Mann zu heiraten und von ihm Kinder zu bekommen, nicht nur bedeutet einen alten, reichen schwulen Mann zu heiraten und von ihm Kinder zu bekommen. Sondern auch eine Dynastie retten, eine jahrhundertelange Tradition und nebenbei noch ein Milliardenvermögen. Und wasweißich. Was bedeuten könnte, dass sich die eigenen geliebten Kinder als Ergebnis eines wie auch immer gearteten Mega-Deals anfühlen könnten, einer, der unter den vorherrschenden Moralvorstellungen gleich doppelt schmutzig ist. Und wenn wir uns das alles noch in einem Setting vorstellen würden, das mit „katholisch“ nur unzureichend beschrieben ist, in der Katholikenbezug persönliche Freundschaft und Loyalität zu Kardinälen und sogar Päpsten umfasst. Wenn das alles also in einer Welt geschehen würde, in der alles so schrecklich auszuhalten, so schwer zu vereinbaren und zu erklären ist: Wäre da nicht das Prinzip der Sünde eine willkommene, eine fast schon logische Selbst-, Familien- und Weltbildrettung? Weil ja Homosexualität in dieser Geschichte immer Fluch und Segen zugleich wäre, ganz einfach, weil es ohne Homosexualität, ohne diesen schmutzig gefühlten Deal mit einem Homosexuellen, diese Geschichte, diese Familie, diese Dynastie gar nicht geben würde?

Aber warum dann über all das nachdenken, wenn es mit Gloria von Thurn und Taxis nichts, aber auch gar nichts zu tun hat? Ganz einfach: Weil es eine Hoffnung gibt, dass der schwule Selbsthass von Gloria von Thurn und Taxis genau wie der schwule Selbsthass aller Schwulen dieser Welt einmal Geschichte sein wird. Weil er aber nur dann einmal Geschichte sein wird, wenn die ihn bedingenden Verhältnisse offen gelegt und überwunden werden können. Jeder Schwule, der gegen sich und andere Schwule hetzt, ist auch deshalb ein Täter, weil er ein Opfer dieser Verhältnisse ist. Obwohl Gloria das Seelenheil der anderen problematisiert, hat sie das Recht, dass ihr eigenes nicht zum Gegenstand von Spekulationen gemacht wird. Doch wer in Bezug auf Homosexuelle über Sünde spricht, hat ein Problem, das nicht nur sein eigenes ist.  Und da es nicht nur ihr Problem ist, muss man darüber nachdenken dürfen, wie ein solches Problem entstehen kann. Auch wenn es nur rein theoretisch ist.

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11 Gedanken zu „Gloria von Thurn und Taxis: Können auch Frauen schwulen Selbsthass haben?

  1. Das ist des Rätsels Lösung, das erklärt alles! Johannes von Thurn und Taxis war schwul !!!!!
    Na klar, da liegt der Hase im Pfeffer!

  2. Nicht nur war Johannes schwul – sie selbst ist lesbisch, hat viele Jahre mit einer italienischen Prinzesin gelebt und Sohnemann folgt den Eltern

  3. Ganz klar ist es nicht, ob Johannes von Thurn und Taxis schwul war, aber die Äußerungen seiner Gattin zum Thema lassen den Schluss zu, dass er zumindest zeitweise ein wenig am anderen Ufer schwamm. Klar bewiesen ist das aber nicht.

    Andererseits ist das betont katholische Auftreten der Fürstin vielleicht auch dadurch zu erklären, dass sie in der Vergangenheit ein arg ausschweifendes Leben führte, in dem sie garantiert auch viel Kontakt zu den noblen Partyschwulen der Münchner Schickeria hatte. Eine ähnliche Geschichte hat auch Frigide Barjot, einer der Hauptorganisatorinnen der „Manif pour tous“ in Frankreich. Es wäre also möglich, dass die Übertragung schwulen Selbsthasses auf die Fürstin nicht nur durch ihren möglicherweise bisexuellen Mann erfolgte, sondern auch als Schamreaktion auf ihre eigene Sündhaftigkeit. Wir wissen ja schließlich: die größten Kritiker der Elche…

  4. Also sicherlich war der Ehemann von Gloria zuumindest bisexuell, wahrescheinlich sogar schwul.

    Und ja Gloria „arbeitetet“ sich seit Jahrzehnten am Thema „Homosexualität“ ab und ebenso am Thema „Sex“: erinnert sei an Ihren Spruch „Der Schwarze schnaxelt gern“, als es um das Thema „Bevölkerungexplosion“ in Afrika ging.

    Meines Erachtens hat Johannes Kram mit der Analsyse zur Person Gloria Recht und hat es gut analysiert und auf den Punkt gebracht. Eines allerdings würde ich noch als Gesichtspunkt ergänzen wollen, was zur Analyse fehlt: Gloria wusste bei Ihrer Eheschließung, das Ihr Mann schwul/bisexuell ist. Daher waren die schwulen/bisexuellen Männer immer auch bei aller von Ihr dokumentierten Äußerungen, das Sie schwule Freunde habe, auch immer „ein Stück“ weit eine Bedrohung ihrer Ehe und Familie.

    Genauso wie heterosexuelle Ehefrauen Ihre Ehemänner vor anderen heterosexuellen Frauen „abschirmen“; weil sie ein „Fremdgehen“ ihres Ehemannes verhindern wollen, musste Gloria dies umsetzen in bezug auf schwule Singles im Umfeld Ihres Ehemannes. Diese waren auch eine Gefahr für Ihre Familienidylle. UND auch nach dem Tod ihres Ehemannes sollte das Familienglück ihrer Kinder nach aussen auf eine heterosexuelle Familienidylle hinauslaufen und dargestellt werden, da war es Ihr dann auch lieber wenn schwule Männer als Singles wie Priester/Bischöfe sich verhielten und „ihren Platz“ kannten und nicht sich schwule Familienidyllen und Partnerschaften in der Öffentlichkeit bilden. Diese erfreuliche gesellschaftliche Entwicklung der letzten Jahrzehnte über den Weg zur Lebenspartnerschaft zur Ehe für alle heute war für Gloria „ein Dorn im Auge“, weil es galt ihre heterosexuelle Familienidylle nach aussen zu kommunizieren und medial darzustellen. Dies hat Johannes Krum wiederum gut dargestellt und analysiert.

    Gegenwärtig frage ich mich, was so rechtskonservative Frauen wie Gloria dazu „sagen“, das der neue Papst Franziskus eine Reihe von Reformansätzen in Rom verfolgt und damit Dogmen wie im Katholischen Eherecht ins Wanken bringt (siehe Zulassung wiederverheirateter Katholiken nach Scheidung zur Eucharistie; Zulassung protestantischer Ehepartner zur Eucharistie nach Seelsorgergespräch im Einzelfall) oder auch die Debatte um das Pflichtzölibat mittlerweile bei den Katholiken innerkirchlich „tobt“ und selbst Verhütungsmittel (Kondome) erlaubt werden sollen, solange sie nicht abtreibend wirken („Aufweichung von Enzyklika Humanae vitae),

    Rechtskonservativen Frauen aber auch Männern wie Gloria dürfte es derzeit nicht gefallen, wie dort ihre Dogmen des katholischen Rechtes durch Franziskus „ins Wanken geraten“.

  5. neben der Scheinheiligkeit, geht es der TT hier auch darum, der me-too Debatte einen Dämpfer zu setzen, wenn man schon arrangierte Ehen fpr die besseren hält, findet Frau sogar pussy-grabbing, sich in der Hierarchie hinaufschlafen und dem hetero als Frau sich zu unterwerfen völlig ok, wenn es den zum Familienclan-/ bzw. Kapitalerhalt dient.

  6. Ich erinnere mich noch an die Zeiten,als Glorias späterer Ehemann mehr oder weniger häufig in den Klatschspalten der Münchner Presse vorkam.Da wurde berichtet,dass er wieder mit diesem hübschen jungen Mann im Münchner Nachtleben gesehen wurde,einige Wochen später dann wieder mit einem anderen „Bekannten“…Und,klar – Zweck der späteren Ehe war es,Kinder zur Welt zu bringen,damit das Milliardenvermögen nicht ans Finanzamt fallen würde…

  7. Wie nennt man das nochmal, wenn jemand versucht einem anderen Menschen wider verifizierbaren Wissens anzudichten er sei homosexuell (gewesen)?
    Wie groß muss der schwule Selbsthass eines Autors – und auch seiner Kommentar-Jünger- sein, wenn man als selbst homosexuell lebende Menschen die Sexualität des ‚Gegners‘ (bzw. der Familie des ‚Gegners‘) ausschlachtet und versucht darüber eine faktische Abwertung dieser Personen zu schaffen. Dieser Logik folgend ist Homosexualität etwas schlechtes, sonst würde man das Thema ja nicht in dieser Form ‚ausschlachten‘.
    Diejenigen die ständig den Finger in vermeintliche Wunden legen wollen, sei gesagt: fangt mal bei euch an und überwindet eurer Selbstabwertung. Oder anders: bevor ihr andere hasst, fangt an euch zu lieben! Als Meinungsführer seid ihr ungeeignet, denn ihr habt es nicht einmal geschafft eure eigenen Probleme zu lösen. Stattdessen wälzt ihr sie auf andere ab.

  8. Ich glaube, sie ist in Kreisen aufgewachsen in denen schon klar war, dass man/frau nicht jede/n heiraten darf, auch wenn ich nicht in jeder Hinsicht von „Zwangsehe“ reden würde. Einfach in einer sehr restriktiven und unfreien Gesellschaftsschicht. Zu sehen, dass andere einfach leben wie es ihnen passt, gefällt und ihrer Persönlichkeit entspricht, führt vermutlich zu einem gewissen Schock. Davon abgesehen haben Adlige die Geschichte durch versucht, andere zu maßregeln und zu zeigen, „wo es langgeht“. Im Grunde dürften wir einfach gähnen über das Gequatsche der Dame.

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